http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_45_1922/0064
gemälde, sondern Temperabilder
auf Leinwand, die in
die Wand eingelassen wurden
. Diese Technik war
durch die Richtung der jüngeren
Generation auf das
Quattrocento modern geworden
. Reinhart selbst berichtet
, daß es für ihn eine
neue Weise sei, „die mir,
obgleich manche Schwierigkeiten
aufstoßen, Vergnügen
macht". Gleich der Freskotechnik
fordert auch sie die
höchste Sicherheit und die
bewußteste Vorstellung von
der Wirkung. Dazu kommen
technische Schwierigkeiten
bei größeren, formlosen
Flächen, wie Lüften,
weil die Farbe hier unter
der Hand trocknet und nicht
Zeit läßt, sie wie im Fresko
zusammenzuarbeiten. Acht
Gemälde verteilen sich auf
die verschiedensten Flächenformen
der Wände. Reinhart
empfindet hier bei den
Schmalfeldern den Zwang
der Komposition und versuchte
die „fatalen Formen
durch Komposition zu verstecken
und durch die Figuren
einiges Interesse hineinzubringen
", wie er selbst
urteilt. Fast vier Jahre bis
1829 zog sich die Arbeit hin.
1908 gelangten sie aus dem
römischen Kunsthandel in
die Nationalgalerie zu Berlin
, wo sie heute im großen
Corneliussaal mit den
sechs großen Landschaften
Schinkels (vgl. Oktober-
November-Heft 1920 dieser
Zeitschrift) für ein Zimmer
im Hause des Kaufmann
Humbert in der Brüderstraße
zu Berlin im starken
Gegensatz des Klassischen
zum Romantischen
stehen.
Durch die Entwicklung
der Kunst seines Freundes
Koch ist Reinhart hier dem
großen Stil Poussins näher
gebracht worden. Nicht
mehr die etwas unorgani-
J. C. REINHART 0 TEMPELHAIN
sehen, durcheinanderwühlenden
Massen der romantischen
Waldlandschaften
Dughets, die seinen früheren
Radierungen ihren besonderen
Reiz verliehen hatten
, füllen Höhe und Tiefe,
sondern die Bodenstruktur
Poussins herrscht. Wenn er
nicht allemal die organische
Verbindung der Einzelteile
erreichte, mit der Koch so
lebendig vom Ganzen ausgehend
den Raum baute, so
ist die plastische Kraft der
Motive aber oft überraschend
. Dem großen Mittelbild
, mit dem heroischen
Zeitalter der Griechen, ist
die Bindung von Tiefe und
Höhe groß geglückt. Die
Pläne des Bodens, die in gemächlicher
Ruhe sich schichten
, klingen nie ganz voll
aus wie bei Koch. Reinhart
illustriert mit regstem
Wechsel der Objekte ihre
Beschaffenheit. Er selbst
fühlte, daß ihm bei diesem
Komponieren sein langes,
durch Jahrzehnte gepflegtes
Studium einzelner Naturteile
zustatten käme. Der kühne
und kräftige Baumwuchs
seiner nordischen Eichen war
allen Deutsch-Römern löblich
bekannt. Man fand in
ihrem Wuchs etwas von dem
aufrechten, männlichen Stolz
ihres Schöpfers. Mit ihnen
vornehmlich trifft er hier
den Ton, den Goethes Definition
aufweist von der
heroischen Landschaft, „in
welcher ein Menschengeschlecht
zu hausen schien
von wenigen Bedürfnissen
und von großen Gesinnungen
". Die umfassenden Fernsichten
, die herrliche Vegetation
und die uralte Tradition
in den Monumenten,
die Reinharts rückgewandte
Phantasie mächtig anzogen,
mögen den Blicken entnommen
sein, die von seinem
Atelier in Ariccia aus seine
Freundin Friederike Brun
44
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_45_1922/0064