Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 45. Band.1922
Seite: 78
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dorfer nicht wert wäre, die Geschichte von der
Geburt des Heilands, von der Ruhe auf der
Flucht oder die Begebenheit von der keuschen
Susanna zu bereichern. Aber nicht nur so nebenbei
; sondern eine Blume, die ihren Blütenkelch
aus der Blätterkrone heraushebt, etwa eine
langstielige, mannshohe Königskerze, ist dem
Meister gerade so wichtig wie eine menschliche
oder himmlische Gestalt. Da dieses Prinzip
allem und jedem auf seinen Bildern gleich gilt,
so ist indessen schließlich doch das schönste
Gleichgewicht da. Ist er in der Bildung dieser
Einzelheiten auch Miniaturist, so ist er es doch
nicht in einem Maße, daß das Einzelne aus dem
Ganzen herausfiele; vielmehr geht eine fast
musikalische Harmonie durch jedes Werk. Und
diese Harmonie wirkt sich auch noch anders
aus: Altdorfer, obwohl der Landschaft schwärmerisch
hingegeben, ist nicht einseitig Landschaftsmaler
. Wie er ein Mann vieler Interessen
war, der sich neben der Malerei auf
Architektur und Plastik verstand, so treten auf
seinen Bildern auch diese Elemente hervor und
bauen sich, zugleich mit der menschlichen
Gestalt, zu einer Einheit zusammen; ein wohlgeordnetes
Ganzes entsteht: Kosmos im ureigentlichen
Sinne.

Ich kann mir denken, daß ein Künstler, der
seine Bilder mit einer bis ins Letzte gehenden
Akribie ausmalte, auf seinen formatlich meist
kleinen Tafeln das äußerste Winkelchen mit
der gleichen Delikatesse und eingehend sorgenden
Liebe umhegte, ein Mensch und Bürger
von hoher Tüchtigkeit und Klarheit gewesen
sein muß, von Fleiß beseelt, seinen Werken
zugewandt und doch über sie hinaus den Blick
auf ein größeres Ganzes gerichtet. In der
Tat spricht das, was wir urkundlich vom
Leben Altdorfers überkommen haben, in diesem
Sinne. Um 1480 scheint Altdorfer in Regensburg
geboren zu sein: man kommt zu dieser
Jahreszahl durch die Tatsache, daß der Meister
im Jahre 1505 um die Verleihung des Bürgerrechts
einkam und dies damals im fünfundzwanzigsten
Lebensjahre zu geschehen pflegte.
Einen Teil seiner Jugend verlebte er in der
Regensburg nahe gelegenen oberpfälzischen
Stadt Amberg, wohin die Familie, wie man
annimmt, Schulden halber verzogen war. Der
Amberger Aufenthalt bringt es mit sich, daß
Altdorfer zuweilen als „Maler von Amberg"
bezeichnet wird; dies hat auch die heillose
Verwirrung angerichtet, daß Altdorfer häufig
mit dem Augsburger Maler Christoph Amberger
verwechselt oder zusammengeworfen
wurde. Bald scheint die Rückkehr, wenigstens
Albrecht Altdorfers, nach Regensburg erfolgt
zu sein; er lernte dort bei einem Miniaturmaler
. Dieser Zweig der Kunst blühte
in der Donaustadt, in deren St. Emmeram-
Kloster der berühmte Codex aureus aufbewahrt
wurde und den schreibkundigen, kunstreichen
Mönchen als ein unerschöpfliches Vorbild diente.
Ein bestimmter Miniaturenmeister kann nicht
als Lehrer Altdorfers genannt werden; ebensowenig
ist Dürer sein Lehrer gewesen, obwohl
Beziehungen zu diesem bestanden zu
haben scheinen; wenigstens wird berichtet,
Dürer habe Altdorfer 1509 eine Handzeichnung
geschenkt. Voß weist auf Zusammenhänge der
frühen Graphik Altdorfers mit dem Mono-
grammisten M. Z. hin, doch mag es sein, daß
in beider Werk nur die Gemeinsamkeit der Zeitstimmung
spricht. 1506 entstanden Altdorfers
früheste Stiche, monogrammiert und datiert,
noch zaghaft, durchaus autodidaktisch, aber
in allem die Persönlichkeit des späteren reifen
Meisters verkündend und sie im wesentlichen
umschreibend. In das Jahr 1511 ist Altdorfers
berühmte Donaureise zu setzen, die er vielleicht
zusammen mit seinem begabtesten Schüler und
Anhänger Wolf Huber aus Feldkirch, der später
in Passau ansässig wurde und neben Altdorfer
der bedeutendste Vertreter des Donaustils ist,
ausführte. Die Reise ging weit ins Österreichische
hinein. Etwa im gleichen Jahr scheint
eine zweite Reise, die den Meister nach Tirol,
in die österreichischen Alpenlande und vielleicht
nach Oberitalien führte, stattgefunden zu haben.
Eine „italienische Reise" Altdorfers wird für
die Jahre 1520 und 1521 in Anspruch genommen,
gesichert ist sie nicht, wenn auch stilistische
Wandlungen, die um diese Zeit geschahen,
dafür sprechen. 1513 erwarb Altdorfer ein
Haus in Regensburg, 1518 kaufte er ein zweites
dazu und scheint also in ziemlichem Wohlstand
gelebt zu haben, einer der Maler-Patrizier
der Reichsstädte, wie sie einem in jener Zeit
zuweilen begegnen. 151g wurde er Mitglied des
„äußeren Rats" seiner Vaterstadt und in eben
dieser Zeit ist er von Gemeinde wegen viel beschäftigt
mit künstlerischen Aufträgen, die mit
dem Kultus der „Schönen Maria" von Regensburg
, einer damals aufgetanen Wallfahrt mit
kuriosen Wundergeschichten zusammenhängen.
Bald verwickelt ihn auch Kaiser Maximilian
in seine künstlerischen Unternehmungen: er
ist mit Holzschnitten an der sogenannten
„Ehrenpforte" beteiligt. Ebenso tritt der kunstsinnige
Herzog Albrecht IV., später Herzog
Wilhelm IV. von Bayern mit ihm in Verbindung
, und für die bayerische Kunstkammer
entstehen solchermaßen die Gemälde „Susanna
im Bade" und „Die Schlacht bei Arbela". 1526
wurde Altdorfer in den „inneren Rat" gewählt,
im gleichen Jahre wurde er, der sich für Ar-

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