Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 45. Band.1922
Seite: 113
(PDF, 78 MB)
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Varia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Public Domain Mark 1.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_45_1922/0145
gegründeten Lehrstuhl für Tiermalerei an der
Düsseldorfer Akademie, wo er bis 1904 wirkte
und eine ganz neue Schule bildete. Im Lathumer
Bruch bei Düsseldorf, in den Weiden des Niederrheins
fand er einen Boden, der ihm etwas
Ähnliches geben sollte, wie seine elsässische Oase,
aber den Künstler und den Menschen lockte
es doch immer wieder zurück in die süddeutsche
Welt, der er verfallen war, 1904 gab er das
Lehramt auf, um sich ganz frei seinem Schaffen
hinzugeben und ließ sich in Ruprechtsau bei
Straßburg nieder — nach zwei Jahren folgte
er dann doch wieder nach Weißhaupts Tode
einem Ruf an die geliebte Karlsruher Kunstakademie
, an der er nun durch 14 Jahre eine
zweite segensreiche Tätigkeit als Lehrer entfaltet
hat, jetzt auf der Höhe seines Schaffens, freigebig
spendend und sich verschwendend, gefördert
vor allem durch die enge Freundschaft zu dem
um zehn Jahre älteren Schönleber. In Wolfisheim
hatte er sich eine dritte Heimstätte auf
elsässischem Boden geschaffen — aus diesem
seinem Studiengebiet hat ihn dann der Krieg
endgültig vertrieben und die Umwälzung in
Baden hat ihn auch von seinem Lehramt zurücktreten
lassen. In neuer Freiheit hat er sich
seitdem bestrebt, die badische Landschaft sich
Untertan zu machen und sich hier ein neues
künstlerisches Reich zu erschließen. Das sind
die äußeren Daten.

Das Lebenswerk dieses Künstlers erscheint
mir mehr als eine Einheit, als ein Ganzes, als
daß man sich gezwungen sehen müßte, die
verschiedenen Perioden zu scheiden. Die Wandlung
und die Fortschritte liegen in der Bildvereinfachung
und in der Farbengebung, kaum
im Stofflichen. Zu dem, was der frühe Bergmann
sich hier erobert, ist eigentlich nichts Neues
hinzugetreten — es ist nur einiges ausgeschieden
worden, die Pferdebilder seiner Abenteurer-
und Wanderzeit sind später ganz verschwunden
und leider auch die sehr aparten Porträts, nur
vereinzelt steht in der letzten Karlsruher Zeit
etwa das markige Bildnis des Karlsruher Geheimrats
Schwoerer (1916) und das Bild eines
bekannten Nimrods — sie sind bezeichnend
alle im Freien, mit Landschaft als Hintergrund
gemalt. Auf einem ungeheuren Vorrat von
Studien — Pferde, Rindvieh, Schafe, Federvieh —
baut sich die Tiermalerei auf, und dieser leidenschaftliche
Wirklichkeitsmaler hat hier wahre
Bildnisse und Steckbriefe seiner prachtvollen
Tiere gegeben: wie ein guter Rinderhirt und
ein alter Schäfer weiß er sehr wohl, daß jede
Kuh eine Sache für sich und jedes Schaf eine
Art Individuum ist mit einem ganz anderen
Bau und ganz anderem Gesicht. Jenes erste
große Bild „Unter den Weiden" (1885), das

eine Gruppe aus praller Sonne in den Schatten
einer Weidengruppe geflüchteter Kühe zeigt,
das damals durch die feine und klare Hellmalerei
frappierte, bringt im Aufbau schon die Sicherheit
und Abgewogenheit, die alle künftigen Bilder
auszeichnet. Es gibt aus jedem Jahr fast ein
großkomponiertes Bild mit bewegten, vor dem
Gewitter fliehenden Kühen, wie auf dem Bilde
des Kölner Museums (igos), oder ruhig im
Wasser stehenden oder auf der Weide in der
ganzen Pracht ihrer gelblichen, scheckigen,
braunroten, schwarzweißen Leiber behaglich und
ruhig in Gruppen und einzeln sich schaukelnden
Rindern. Die monumentale Erscheinung hat
ihn mitunter verleitet, in einer Zeit, da die
Worpsweder den Maßstab verdarben, auch ein
monumentales Format für diese Kühe zu wählen
(wie in dem Bild der Düsseldorfer Galerie vom
Jahre 1900), nicht immer zum Vorteil der Bildwirkung
, wie ich denn den kleinen Potterschen
Stier im Buckingham Palace dem großen Tier
im Haag vorziehen möchte. Ein Hirtenmädchen
steht einsam am Ufer, folgt dem Zuge der
Kühe oder sieht traumverloren den Weidenden
zu, eine Alte füllt für die durstigen Tiere den
Brunnentrog, eine Gänseliesel mit einer weißschimmernden
bewegten Herde am Bach. Schafe
in der Hürde, im Durchzug durch einen Engpaß
unter alten Bäumen, die heimkehrende Herde
mit dem müde sich schleppenden greisen Hirten,
weidende Schafe, deren Wolle weißlich durch
den Halbnebel schimmert, wo die Masse der
Tiere oft wie eine einzige große Welle wirkt,
der Einzug der Herde in breiter Front im
Frühmond, wie bei dem magistralen Bild in der
Karlsruher Galerie (igi5), einsame Hirten, durch
die feuchte Luft wie in einer Fata Morgana
vergrößert, eine schreitende Hirtin von einer
feierlichen Typik, bei der man ohne Blasphemie
den Namen Millet nennen darf, Holzfuhren im
Walde und schwere majestätische Schiffspferde
mit Reitern, bei denen man an seinen jüngeren
Frankfurter Schulgenossen Boehle denken
möchte. Und daneben — und das sind vielleicht
die feinsten — jene Bilder, in denen die Landschaft
allein spricht und die Staffage höchstens
wie ein kleiner Akzent drin steht und nicht
anders als eine Vogelstimme, ein Kuckucksruf
in der Natur spricht und das große Schweigen
durchbricht. Der Schatten undurchdringlicher
Gebüsche nimmt uns auf, der geheimnisvolle
Spiegel der Waldtümpel blinkt unbeweglich,
einsame Wiesen, vor deren jungem Grün ein
alter grauer Wildapfelbaum seine Zweige erhebt,
verlorene unergründliche Teiche, vergessene Altwässer
, daran hagere zerfetzte Erlen und schlanke
weiße Buchenstämme — und alles eingehüllt
in die feuchte Atmosphäre, die schmeichlerisch

Die Kunst ftlr Alle. XXXVII

113

15


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_45_1922/0145