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ULFERT JANSSEN
SKIZZE (GIPS)
ihr Wirken lassen sich berechtigte und erfolgreiche
Angriffe leiten. Sie gebärden sich zugleich
am radikalsten, weil sie den Mangel
innerer Zugehörigkeit durch unterstreichende,
lauteste Betonung vergessen machen wollen.
Weit wirksamere Hilfe kommt den Anhängern
der neuaufstrebenden Kunstanschauung von
der dritten Gemeinschaft. Ihr sind jene Künstler
verschrieben, die nicht den Wunsch verspüren
, einzugreifen in die erbitterten Kämpfe.
Fortschrittlich gesinnt, gehen sie zu Beginn
ihrer persönlichen Entwicklung zwar von der
eben noch herrschenden Anschauung aus, marschieren
aber ruhig und stetig der Zukunft
entgegen. Sie verneinen nicht heftig, aber sie
bilden langsam um. Auch in ihnen ist das
Gefühl lebendig, einer neuen Generation anzugehören
. Dies selbstverständliche innere
Wissen trennt sie von der Partei, die der überkommenen
Überzeugung die Herrschaft nicht
entreißen lassen will. Weil sie aber auch keine
Stürmer sind, weil ihrer Natur das Kampfbedürfnis
fremd ist, treten sie auch nicht in
die Reihen der Revolutionäre ein. Sie schaffen
Verständnis dort, wo der Kampfruf, eben weil
er Kampfruf ist, seine Werbekraft verliert.
Die Gerechtigkeit der echten Künstler unter
ihnen ist keine Urteilslosigkeit, ihr Nichtein-
greifen in den Kampf keine Feigheit und
Schwäche. Im Gegenteil: Es gehört Mut dazu,
unbeirrt steten Trittes vorwärtszuschreiten,
ohne des Streites rechts und links zu achten.
Ihr Wirken ist ein stilles, bann jedoch wertereiche
Früchte tragen.
Die hier geschilderte Entwicklung trifft
auch auf den Wandlungsprozeß unserer Tage
zu. Und Ulfert Janssen, der Bildhauer, dessen
Schaffen dieser Aufsatz gewidmet ist, zählt zu
jenen fortschrittlichen Künstlern, die — nicht
aus Schwäche, sondern aus gefestetem Instinkte
dafür, was der eigenen Persönlichkeit nottut —
abseits stehen bei den erbitterten Kämpfen,
deren Zeugen wir sind.
Der Name schon weist deutlich auf die Abstammung
aus Ost-Friesland hin. Ulfert Janssen
wurde 1878 als Sohn eines Pastors geboren.
Der Wunsch der frühesten Jugend galt dem
Berufe eines Seeoffiziers. Nachdem Janssen
das treffliche Gymnasium Martino-Catharineum
zu Braunschweig durchlaufen hatte, besuchte
er die Technische Hochschule. Hier vollzog sich
der Umschwung. Der Künstler meldete sich.
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