Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 45. Band.1922
Seite: 272
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waren. Allmählich entfernte er sich dann von
der Auffassung der Reinhart und Koch: die
starre Gliederung, die Härte der Umrisse verschwindet
, die Farben werden weicher und harmonischer
. So erringt sich Dreber, vielleicht
auch durch den Verkehr mit Böcklin angeregt,
in den ersten zehn Jahren seines römischen
Aufenthaltes seinen eigenen Stil.

Alle seine Motive entnahm er der Natur,
der römischen Campagna, den Albaner und Sa-
biner Bergen, und meistens belebte er sie mit
Staffagefiguren, die er sei es der Wirklichkeit
entnahm oder auch in ein biblisches oder mythologisches
Gewand hüllte. Beispiele für die erste
Art geben die Landschaften mit den Wäscherinnen
am Tiber (Hamburg), mit dem Mädchen,
das durch den Bach geht (Chemnitz), mit den
Banditen (Breslau). Auf „Boas und Ruth"
taufte er die große Erntelandschaft aus der
Campagna (Prof. Schöne in Münster); der
Mythologie entstammen z. B. „Sappho am
Meeresstrande" (Schackgalerie) und „Das Bad
der Diana" (Dresden). Bezeichnend ist für
Dreber, daß er seine figürlichen Zutaten stets
harmonisch in die Natur einordnet, daß Natur
und Vorgang stets innig miteinander verschmelzen
, daß die Natur als der gegebene Schauplatz
für die auftretenden Menschen oder Götter
erscheint. Überhaupt ist seinen Gemälden
eine feine farbige Harmonie eigen. Ihr Wesen
ist lyrische Poesie; heroische Haltung, kräftige
Farben, schroffe Gegensätze liegen ihm
fern. Keineswegs dürfte man ihm Weichlichkeit
oder Sentimentalität nachsagen, nur erscheinen
seine farbigen Harmonien zuweilen
matt, was Dreber den Tadel Böcklins eintrug,
dem er anfänglich, wie man an einer Reihe
von Bildern sieht, ein Vorbild war, der sich aber
dann in weiterer Entwicklung scharf von Dreber
trennte. Für Dreber aber blieb die innige
poetische Belebung und die harmonische Auffassung
der Landschaft bezeichnend bis an das
Ende seines Schaffens. Unverkennbar ist, daß
die Krankheit Drebers Können vermindert hat;
die letzten Bilder sind nur noch Schatten derer,
die er auf der Höhe seiner Kraft schuf. Diese
seine besten Gemälde aber weisen unserem
Heinrich Franz-Dreber einen durchaus ehrenvollen
ebenbürtigen Platz in der Reihe der
deutschen Meister an, die während des ganzen
neunzehnten Jahrhunderts in Rom ihre zweite
Heimat gefunden haben, ohne dabei ihr Deutschtum
aufzugeben. Daß ihm ein solcher Ehrenplatz
gebührt, lehrte die Dresdener Gedächtnisausstellung
in der Galerie Arnold in voller
Klarheit. Das Verdienst, sie angeregt zu haben
, kommt dem Dresdener Galeriedirektor
Dr. Posse zu. Paul Schumann

NEUE KUNSTLITERATUR

Lüthgen, Eugen. Gotische Plastik in den
Rheinlanden. Geh. Mk. 24.—. Bonn 1921, Friedrich
Cohen.

Der Verfasser hat in diesem seinem neuesten
Buch den nicht gerade aussichtsreichen Versuch
gewagt, auf 13 Seiten Text, die von 80 ganzseitigen
Abbildungen begleitet werden, einem weiten Kreise
das Grundlegende und Wesentliche der rheinischen
gotischen Plastik zu übermitteln. Ist es
auch heute noch, trotz der in den letzten Jahren
immer reicher anschwellenden Literatur über
gotische Plastik keineswegs leicht, sich einem
großen Leserkreis mit wenigen andeutenden Worten
über dieses Thema in seiner Gesamtheit einigermaßen
verständlich zu machen, so wächst
naturgemäß diese Schwierigkeit, wenn, wie im vorliegenden
Falle, eine Beschränkung durch einen
bestimmten landschaftlichen Umkreis gegeben ist.
Daher bleibt es immerhin erstaunlich, wie der
Verfasser es verstanden hat, mit den wenigen, mit
Vorsicht gewählten Worten Grundsätzliches über
das Wesen der Gotik im allgemeinen und die rheinische
Gotik im besonderen zu sagen. Mit einer
beachtenswerten Hartnäckigkeit wird innerhalb
des zur Verfügung stehenden knappen Textraumes
erfolgreich versucht, dem Problem der Erklärung
gotischer Gestaltungsweise von allen möglichen
Seiten her zu Leibe zu rücken. Daß es dabei unterlassen
wurde, die Stilentwicklung von 1250—1530
neben den rein künstlerischen auch aus den historischen
Bedingtheiten der einzelnen Jahrhunderte
heraus zu begründen, empfinde ich, gerade im
Hinblick auf den großen Kreis, an den sich das
Buch allem Anschein nach richtet, als bedauerlich
; jedoch mag dies nicht ohne Absicht geschehen
sein.

In den Abbildungen, die den Hauptteil des
Buches einnehmen, kommt die rheinische Plastik
von der romanischen Periode bis zum ersten
Drittel des 16. Jahrhunderts zu Wort. Die Auswahl
der vorwiegend nach ganz vorzüglichen
Photos hergestellten Bildtafeln zeugt von dem
feinen persönlichen Geschmack des Autors, der eine
ganze Reihe zum Teil wenig oder gar nicht bekannter
, mittelalterlicher Bildwerke in zeitlicher
Folge vorführt. Als besonders erfreulich seien die
verschiedenen großen Detailaufnahmen von Köpfen
, vor allem die prächtigen Teilansichten der
Mutter Gottes vom Meister von Hallgarten und
der ergreifenden Darstellungen der Pietä in Bonn
und Erfurt hervorgehoben. Eine lückenlose Übersicht
über die Haupttypen der gotischen Plastik
des Rheinlandes vermögen die 80 Abbildungen
allerdings nicht zu geben; so vermisse ich vor
allem, daß der überaus charakteristische Typ der
holzgeschnitzten niederrheinischen, sitzenden Mutter
Gottes mit stehendem Kind aus dem 14. Jahrhundert
, der im Kaiser Friedrich-Museum in Berlin,
im Germanischen Museum in Nürnberg, in den
Kölner Museen und in zahlreichen deutschen Privatsammlungen
so prächtig vertreten ist, mit
keinem einzigen Beispiel in dem Buche belegt
wird.

Die Ausstattung des Buches ist von sympathischer
Einfachheit, der Druck der Bilder geradezu
hervorragend; der Preis endlich ist für die heutigen
Verhältnisse so märchenhaft niedrig, daß
man nur aufrichtig wünschen kann, dies wertvolle
Bilderbuch möge bald in jedes deutsche Haus

einziehen. Hubert Wilm

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