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VALENTIN DE ZUBIAURRE
FEIERABEND
KUNSTLITERATUR
Waetzoldt, Wilhelm. Deutsche Kunsthistoriker
von Sandrart bis Rumohr. E. A. Seemann,
Leipzig 1921.
Dies flüssig geschriebene inhaltsreiche Buch,
das sich wohl nicht nur an den Fachgelehrten,
sondern ebensosehr an den Historiker und Kulturhistoriker
, den Literarhistoriker und jeden Gebildeten
wendet, wird jedem unentbehrlich sein, der
sich über die Kunstströmungen und den Geisteszustand
einer größeren Periode klar werden und
den Zusammenhang zwischen Literatur, Kritik
und Publikum erkennen will. Neben solchen Analysen
von Kunsttheorien, die aus anschaulicher und
aufschlußreicher Inhaltsangabe der mündlichen
und schriftlichen Äußerungen kritisierender Forscher
und Künstler erstehen, bedeutet das Buch
aber auch schöpferische Tat, da das Kulturbild
eines abgeschlossenen Zeitraumes für den Leser
wach wird. Der überall in die Tiefe mit gründlicher
Belesenheit eindringende Verfasser wird
zum Biographen all der führenden Persönlichkeiten
, die seit Butzbach und Scheurl über Künstler
und Kunstwerke schrieben, wobei gewissenhaft
sämtliche zugrunde liegenden Quellen
(Schriften, Notizen, Reden, Äußerungen) angeführt
werden. Johann Friedrich Christ und J. J.
Winckelmann werden als Begründer der eigentlichen
Kunstwissenschaft ins hellste Licht gerückt
, die Anfänge der Fachwissenschaft mit Fio-
rillo, der auch ausübender Künstler war, und dem
genialen scharfen Denker Rumohr aufgezeigt. Das
Kapitel: „Maler-Ästhetik" führt in die Gedankenwelt
der theoretisierenden Künstler Oeser, Mengs,
Hagedorn, Gessner, Füssli nicht weniger bedeutungsvoll
wie in den Zeitstil als solchen ein. Den
Kunsthistoriker dürften die nachgelassenen Schriften
des Mengs, aus denen vieles mitgeteilt wird,
am meisten interessieren. Manche der kunstschrift-
stellernden Persönlichkeiten, z. B. der oft verkannte
„Kunst-Meyer" Goethes oder Georg Forster
, erscheinen in günstigerer Beleuchtung. Einzelheiten
aus der Literatur des „Sturm und Drang"
wie die köstliche Beschreibung Heinses von Gemälden
des Rubens, die jetzt alle in München
sind, bedeuten in der Frische und Lebendigkeit
des Nacherlebens neben dem interessanten Kapitel
über die Romantik den Höhepunkt dieser
umfangreichen Arbeit, auf deren Fortsetzung im
Bande: von Schnaase bis Justi man mit Recht gespannt
sein darf. Nasse
Dehio, G. Geschichte der deutschen Kunst.
Zweiter Band des Textes und der Abbildungen.
Berlin und Leipzig 1921. Vereinigung wissenschaftlicher
Verleger.
Im Zeitalter des Internationalismus galt es
anscheinend als eine Schande, eine Kunstgeschichte
eines bestimmten Volkskreises zu schreiben; denn
wenn man Umschau hält in der kunsthistorischen
Literatur der einzelnen Kulturvölker, so
ist das Fehlen einer größeren Zusammenfassung
der künstlerischen Leistungen, von populären, unzureichenden
Versuchen abgesehen, bei fast allen
Nationen, die hier in Betracht kommen, auffallend;
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