http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_47_1923/0165
S. L. WENBAN
MOTIV AUS ETZENHAUSEN (RADIERUNG)
SION LONGLEY WENBAN
ZUR AUSSTELLUNG SEINER RADIERUNGEN
IN DER GRAPHISCHEN SAMMLUNG IN MÜNCHEN
Im April dieses Jahres war ein Vierteljahrhundert
vergangen, seit man in München
den Maler und Radierer Sion Longley Wenban
auf dem stillen Schwabinger Friedhof zur letzten
Ruhe gebettet hat. In der bayerischen Kunstmetropole
, deren Bannkreis er seit seiner Übersiedelung
im Jahre 1878 nie mehr dauernd verlassen
hat, zum Künstler gereift, ist Wenban,
der als Sohn englischer Eltern in Cincinnati
geboren wurde, trotz seiner ausländischen Herkunft
doch mit Fug und Recht der Münchener
Künstlerschaft zuzurechnen. So obliegt auch
München die Ehrenpflicht, die Erinnerung an
sein Künstlertum pietätvoll zu pflegen.
Über dem Lebenswerk dieses Meisters der
Radierung, der eine neue Ära in der Geschichte
der deutschen Graphik einleiten sollte, hatte bis
in unsere Tage ein eigentümliches Verhängnis
gewaltet. Nur in einem kleinen Kreise von Berufsgenossen
war seine Kunst zu seinen Lebzeiten
in ihrer bahnbrechenden Bedeutung erkannt
worden. Unter dem starken Eindruck
der Ausstellung seines Nachlasses schien es
wohl kurze Zeit, als ob sein Künstlertum die
ihm gebührende Würdigung endlich finden
sollte. Ein dauernder Erfolg aber war dem
Toten so wenig beschieden, wie dem Aufstrebenden
. In dem regen Wettbewerb junger
Kräfte, der bald nach seinem Tode der neu
aufblühenden Radierkunst frisches Leben zuführte
, geriet sein Name allmählich völlig in
Vergessenheit. Als dann im Jahre 1913 eine
Monographie*) über Wenbans Radierungen
erschien, da war man wohl erstaunt, von einem
gänzlich unbekannten, außerordentlich reichhaltigen
Radierwerk Kunde zu erhalten. Einer
weiteren Auswirkung dieses literarischen Hinweises
aber standen die Kriegsjahre im Wege,
die das kaum wieder erweckte Interesse an
*) O. Weigmann: Sion Longley Wtnban. Kritisches Verzeichnis
seiner Radierungen mit einer biographischen Einführung
. Leipzig 1913.
!37
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_47_1923/0165