http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_47_1923/0321
KARL STERRER
BILDNIS
KARL STERRER
Wir haben schon einmal in diesen Blättern
die Grundlagen von Karl Sterrers Kunst
zu kennzeichnen versucht. Seither sind mehrere
Jahre vorübergegangen. Sie haben schon
in die äußeren Verhältnisse des Künstlers eine
bedeutsame Veränderung gebracht. Denn Sterrer
ist inzwischen — nach Ferdinand Andri und
fast gleichzeitig mit Peter Behrens — Professor
an der Akademie der bildenden Künste in Wien
geworden, die längst notwendige Verjüngung
der Hochschule ist jetzt auch auf seine Schultern
gelegt.
Aber in demselben Zeitraum ist auch seine
Kunst stattlich herangewachsen. Ihr Charakter
ist nicht anders geworden. Denn bei einem so
klaren und festen Naturell, verankert in einer
großen Tradition, die von Michelangelo hinabführt
bis zu Poussin und Feuerbach, beharrlich
auch im Gewitter der neuesten Kunsttriebe,
war ein gründlicher Umschwung nicht zu erwarten
, sondern nur ein gerades und ruhiges
Reifen. Man darf in dieser Beharrlichkeit nicht
Starrheit, nicht Rückständigkeit sehen. Warm
und stark geht das Blut in diesem Künstler,
warm und stark schlägt sein Gefühl jedem
echten Auftrieb in der Kunst, auch dem Ex-
Die Kunst für Alle. XXXVIII. Juli 1923
23l
37
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_47_1923/0321