Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 49. Band.1924
Seite: 275
(PDF, 115 MB)
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JOHANNES THIEL

DIE LUSTIGEN WEIBER VON WINDSOR
Verlag von Dr. Julias Schröder, Tegernsee

JOHANNES THIEL ALS RADIERER

Es ist jetzt wohl der richtige Zeitpunkt, weitere
Kreise auf Johannes Thiel aufmerksam
zu machen, der, obwohl Maler im weitesten
Sinne, in den letzten Jahren den Schwerpunkt
seiner Tätigkeit auf die Radierung gelegt hat.
Seine künstlerische Konzentrationsfähigkeit hat
in der kurzen Zeit von 3 Jahren ihn hier auf
eine Entwicklungshöhe geführt, die auch dann
als eine außergewöhnliche bezeichnet werden
darf, wenn sie Plateau bleiben sollte. Zu befürchten
ist das allerdings nicht und wer aus
persönlicher Bekanntschaft Thiels Wollen und
Können beobachtete, freut sich auf seine weitere
Zukunft. Der Schreiber dieser Zeilen ist
so einer und nimmt sich die Freiheit von Thiel
zu reden, trotzdem er kein abgestempelter
Kunstgelehrter oder gar Kritiker ist, sondern
nur Genießer.

Rheinländer von der etwas schwereren Eifel-
Abart — für Physiognomiker ein Selbstporträt
aus der letzten Zeit — fing er vor etwa 14 Jahren
als 20 jähriger mit der Kunst an „und damit
auch mit dem Bewußtsein zu leben", Maler
von der Art, die neben der Farbe auch die Zeichnung
kultivieren, neigt er auch als Radierer
dazu, mit der schwarzen Linie farbig zu wirken.
Etwas Akademiestudium — Kindergarten für
angeborene Talente — hat ihm nicht viel anhaben
können, dagegen wird ihm sein Lehrer
Peter Halm den handwerksmäßigen Anstand in
der Graphik eingepflanzt haben.

Flügge geworden geht er auf die Wanderschaft
— nach Italien, Holland, England. Der
Norden hat wohl bestimmender gewirkt als
der Süden, denn Luft und Duft in Halbtönen
ist sein Geschmack und seine Stärke.

Der Krieg hat seinen künstlerischen Gang
nur unterbrochen, den Künstler aber zu nichts
angeregt, zum Kriegsmaler hatte er auch keine
Zeit, er hat geschossen ganz vorne und lange
Jahre und ist geschossen worden ! Auch
den psychotischen Suggestionen der künstlerischen
„Ismen" widersteht er standhaft, hat
weder Sinn für Expressionismus im Schaffen,
noch für Zynismus im Empfinden. Er liebt
eben einfach die Schönheit in jeder Form,
große Dimensionen, Kraft, Bewegung, Schnelligkeit
, Wirrwarr einer Maschinenhalle, Ruhe
eines Doms, Stille des Waldes, Menschengewimmel
der Großstadt, alte Gassen, Tiere,
Menschen, den menschlichen Körper, nicht zuletzt
die schöne Linie eines Frauenbeines! Nichts
von Erotik, viel Humor und eine visionäre
Phantasie. Stilistisch steht er dem Barock näher
wie der Gotik. Das ist sein künstlerisches
Wollen, dazu gehört bloß noch das Können!
Und er kann. Technik ist ihm nur mehr ein
Mittel zum Ausdruck des Wollens, das er mit
taktvoller Beschränkung auszunützen versteht,
man findet keine sichtlich technischen Qualen
oder Mogeleien in seinen Blättern. Er hat
Respekt vor der Kultur der künstlerischen

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