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ganz außergewöhnliche Höhe (auch der große
Speisesaal erreicht darin übrigens besondere
Maße) nicht nur die Anbringung wahrhaftiger
— hier lediglich die beiderseitige Längsfront begleitender
und dadurch dem Raumeindruck
größere Geschlossenheit verbürgender — Saalfenster
ermöglichte, sondern über diesen auch
noch Platz für eine zweite Reihe von (zumeist
rund oder polygonal gestalteten) Lichtöffnungen
läßt, wodurch denn für die rein architektonische
Wirkung dieser Räume die reiche Fenstergliederung
in erster Linie maßgebend wird.
In der großen Gesellschaftshalle erster Klasse,
die man beiderseits der schönen (nur vielleicht
doch ein wenig gar zu klein dimensionierten)
Columbusfigur Wackeries betreten kann, hält
nun freilich vorerst der starke und freudige
Farbeneindruck dem rein tektonischen Effekt
die Wage. Mit gutem Recht läßt der Architekt
in diesem einem festlich-hesperischen Dasein
geweihten Raum durch den nie ganz verhallenden
Grundton kultivierten Behagens eine
mehr dionysische Note hindurchklingen. Man
wird diesen vorwiegend longitudinal durchkomponierten
Saal mit seiner reichen Fensterarchitektur
und seinem weiten Oberlicht —
der wirksamen Eckenbetonung durch pikante
Wackerlesche Flachreliefs der Weltteile und
intarsiierte Anrichten — den die Schmalwände
beherrschenden liebenswürdig ruhevollen, den
Gesamtfarbenakkord der Halle gleichsam pia-
nissimo in die Weite heller und sanfter Landschaftsszenerien
überleitenden Bildern von
E. R. Weiß (derselbe Maler schuf auch die
feinen Fruchtstücksupraporten der Halle) —
gleichermaßen schön finden, ob ihn nun aus
den von männlichen Genien (ihre Schwestern
erfüllen im Geleite einer mehr pflanzlichen
Ornamentierung das gleiche Amt drunten im
Speisesaale) gehaltenen Glaskugeln der (auch
der Raumgliederung prächtig zugute kommenden
) Kandelaber Wackeries sanftes Abendlicht
durchströmt oder ob die köstliche Auseinandersetzung
zwischen den vorherrschenden
Farbtönen der Bezüge (himbeerrot und braun-
lila mit einem vornehmen Seitenthema in Blau
und Altgold), der Vorhänge und der Teppiche
durch das von allen Seiten frei einflutende,
von den Glasflächen der Tischchen zurückgeworfene
und bei den Chinesen auf der bunten
Gobelinstickerei des Mitteltisches einen richtigen
Freudensprung entfesselnde Sonnenlicht
akkompagniert wird.
Geradezu genial hat Troost auf dem neuen
„Columbus" die Frage der Verbindung zwischen
der großen Halle und dem nächsten vollbreiten
Raum (dem Bibliothekzimmer) gelöst. Aus der
bitteren Notwendigkeit, die im Schiffsbau nun
einmal unerbittlich rein technische Räume zwischen
die ästhetischen schiebt und dadurch selbst
bei den gewaltigen Dimensionen dieses Dampfers
ein ungehemmtes Ineinanderverströmen der
Hauptsäle vereitelt, hat er eine feine Tugend zu
entwickeln vermocht, indem er die von diesen
zwischengeschobenen und notgedrungenerweise
maskierten technischen Leerschächten zu beiden
Seiten übriggelassenen Raumreste (sie entsprechen
in der Breite den Seitentrakten dieser
sämtlich dreischiffig gegliederten Gesellschaftssäle
) über die Rolle bloßer ästhetisch gleichgültiger
Durchgänge zum Range selbständiger
Raumgebilde emporhob. Das gelang ihm durch
zwei einfache Mittel: erstens durch leichte
Schweifung der Außenkonturen, wodurch Raum
für Unterbringung von Schreibtischen in den
Fensterbuchten gewonnen wurde, und zweitens
durch die Anordnung großer Spiegel an der
Innenseite dieser Galerien, deren Kontrapostie-
rung zu den hier besonders bewegt gestalteten
Fenstern den Verbindungsräumen eine unglaubliche
Fülle und Weite gibt. Daß diese auch
mit Einzelkunstwerken überaus reich bedachten
Spiegelgalerien (die in den Nischen der Ein-
und Ausgänge untergebrachten, von gesundester
Anmut erfüllten vollplastischen Kindergruppen
der „Jahreszeiten" — schade, daß es ihrer nicht
mehr als vier gibt, was die Monotonie einer
reinen Wiederholung in den beiden symmetrisch
angeordneten Gängen hätte vermeiden helfen —
gehören zu den edelsten Schöpfungen, die aus
den Händen Josef Wackeries hervorgegangen
sind; auch Alfr. Hagel ist durch vier heitere
Aquarelle trefflich vertreten) bei alledem auch
ihre rhythmischen Funktionen in zwiefachem
Sinne (Überleitung der Farbstimmung aus der
Klangfülle der Halle in die relative Einfarbigkeit
der Bibliothek und Zäsur im Sinne der
ornamentalen Komposition) vollauf erfüllen, ist
bei einem Rhythmiker vom Range Troosts
so gut wie selbstverständlich, erhöht aber
natürlich noch den Reiz dieser wohlgelungenen
Raumschöpfungen.
Über die Bibliothek selbst können wir uns
nach dem bereits Vorweggenommenen verhältnismäßig
kurz fassen: der im wesentlichen einfarbige
Raum, in dem der rote Teppich der
Halle nach Farbe und Muster wiederkehrt, ist,
trotzdem die Lichtzufuhr auch hier von seitwärts
und oben erfolgt, quer gelagert; die bei
den kleineren Maßen des Zimmers allein für
größere Aufgaben in Betracht kommende Querwand
ist zu beiden Seiten für Bücherschränke
freigehalten, deren reiche und ernste Gliederung
im Verein mit den Doppelpilastern der Fensterintervalle
ihm eine vorwiegend architektonische
Note geben, während anderseits die Naturholz-
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