Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 51. Band.1925
Seite: 72
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bolismen jener Zeit w irken nach. Doch gibt es
auch eine jüngere Gruppe (Kitt, Dobrowsky,
Schutt u. a.), die lieh fehr lebhaft die neueften
Tendenzen aneignet und mit den ererbten Me-
thoden "zu verföhnen fucht. Überdies pflegt
hier auch eine mehr konservative Steirer und
eine fehr draufgängerifche Kärntner Gruppe
einzufenden.

Der Hagenbund ift das Haus der Formen-, Licht-
und Farbenfpiele, ein melancholifch.es Traumland
mit Vexierfpiegeln, eine etwas abfeitige
Provinz mit Vizinalbahnen, eine Gefellfchaft
von Originalen, die meift nur mit den Fuß-
fpitzen diefe irdifche Welt berühren. Aber alle
drängen doch leidenschaftlich dem Leben zu.
Merkl flüchtet meilt in Schäferidyflen, Seibold
und Philippi leben in Ekftafen, Ehrlich in der
Sphäre Doftojewskys. Ferner find uns ganz
grüne Menfchen mit grellroten Reflexen fchou
eine ganz vertraute, liebe Tatfache geworden.
\uch die Regenbogenmärchen von Reinitz geraten
oft fehr menfehlich, diefe fall fchon glä-
ferne, jedenfalls durchfiehtige Geifterwelt hat fo
riilirend-pathetifche oder zaghaft-demütige Gebärden
. Floch taucht feine Geftalten und Land-
fchaften in eine ergreifende blau- und weinrote
\\ ehmut. Laske ift vielen zu literarifch und
zu wenig malerifch, aber den ausgelafTeiien und
im Grunde doch fehr melancholifchen Flumor
in feinem wimmelnden Menfchen- und Tier-
gefprudcl kann ihm niemand abfprechen. —
\\ eiliger gilt diefe Charakteriftik von den Pia-
Iii kern. Namentlich Barwig ift wunderbar mit
feinem Material verwachfen. Neulich hat er aus
zwei Baumflämmen zwei Männer gefchnitten.
Nur die Arme angeleimt, fonft ein Guß
meifterhafte Arbeiten. Schade, daß beide Jünglinge
außer von dem hohen Können ihres
Schöpfers nichts Gefcheites zu lagen hatten.
Aber was folltenfie auch? Gerade folcheSpitzen,
folche Abflraktioiien eines Gefellfchaftskörpers
kömieii docli nichts anderes lagen, als was diefe
Gefellfchaft im tiefften bew egt. Und das ift doch
jetzt: dumpfe Ralloligkeit, Suchen, Taften . . .
Und foferu ift diefe ganze Gruppe ein befonders
treuer Ausdruck des Zeitempfindens.
Hingegen die Kmiftfchau-Leute haben fall alle
etwas Rabiates, Ketzerifches, wenn fchon nicht
in ihrer Malerei, fo in ihrem Wefen. (Sie brau
eben deswegen nicht gerade Choleriker zu fein.)
Sie find um Kokofchka gefchart, feine revoltierende
Gebärde überfchattet die ganze Gruppe.
\uch Kolig fpart nicht mit Angriffen gegen das

gute Herkommen. Moll ift eine aufwühlende
Kraft, der geborene Frondeur, fo freundlich
feine Bilder daherfchauen. Faiftauer ift von der
Bauerntraditioii ausgegangen und fetzt fie mit
wechfelndem Glück auch in Salonbilderii fort.
Die einfehmeicbeliide Kraft des öfterreichifchen
\\ efens macht feine Kampf Heilung verföhnlich,
die aber doch bei ihm wie bei den andern Mitgliedern
der Gruppe durch das Bekenntnis zu
einem neuen Formemplinden gegeben ift.
Im oberen Stockwerke lind die Architekten.
,A olkswohnungen" ift das Hauptmotiv, wie es
ja in der Tat das oberfte Problem der Stadt ift.
Viele erfreuliche Löfungen, von denen ja auch
einige fchon verwirklicht wurden. Eines der
heften Projekte von Orley, der am meiften von
Wiener Tradition erfüllt ift und den lokalen
Ton wie kein anderer Irilft: ein großer Block
um einen Gartenhof durch Einbuchtungen gefaltet
, fo daß nach innen w ie nach außen eine
fehr w ohltuende und praktifche Gliederung ent-
fteht. Die meiften andern Bauten find durch die
freie Geftaltbarkeit des Betonbaues beftimmt,
die freilich — die große Gefahr - leicht zu
fpielerifchen Löfungen verführt. Die von felblt
gegebene Wucht der tragenden und getragenen
Steine und felbft Ziegel ift nun durch monumentales
Empfinden zu erfetzen. Da muß lieh
die perfönliche Kraft des Architekten zeigen.
Im Landfchaftsbau ftehen fich noch immer zwei
Richtungen feindlich gegenüber: die Ohmanii-
Schule beobachtet den heimifchen Hausbau w ie
auch die Laiidfchaft und fucht Neubauten beiden
anzupaffen. Die andere Richtung leugnet
feit O. Wagner die Berechtigung der Heimat-
knnft und w ill alles nur aus Zweck und Material
heraus konftruieren. Aber die Aiipaflung an die
Laiidfchaft icheint mir doch eine unumgängliche
Forderung und damit wird man tchon
\<>u felber in die Nähe der guten Tradition
kommen, die immer aus der Laiidfchaft er-
wachfen ift. Nur bei fchlechter Tradition (Fabriken
, Bahnhöfe und dergl.) ift ein bewußtes
Abweichen zu billigen.

Hoch ragt Peter Behrens empor. Er verlieht
es, die Größe unferer Zeit, die Technik, wirklich
zu monumentaler Größe zu geltallen. L tid
doch fteckt das architektoiiifche Formgefühl der
Jahrtaufende in feinem \A erke. Mau fpürt
durchaus keinen Bruch mit der \ ergangenheit,
trotz der neuen Mittel. Und fo erhoffen wir
Großes von feinem Einfluß und feiner Schule.

Franz Ottmann

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