Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 51. Band.1925
Seite: 98
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_51_1925/0130
Nun war es natürlich für (liefen Tag wieder
vorbei. W enn ich mich an diefe kleine Szene
erinnere, höre ich noch heute diefes fonore:
„Teufel, Teufel!" Der arme Leibi — jetzt verliehe
ich das helfer — w ar fo vertieft in feine \ r
beit gewefen, nichts anderes gab es für ihn in
d ielen Augenblicken auf der Welt. Damals war
ich aber doch etwas gekränkt, denn zwei Stunden
ohne Unterbrechung Hille zu liehen, hatte
ich doch für eine ganz fchöne Leiflung gehalten
und hatte eher erwartet, ein .Lob zu ernten. Es
hätte mir aber doch leid getan, die Sitzungen
für immer aufzugeben; wäre dies gefchehen, l'o
könnte heute niemand das herrliche Bild in der
Staatsgalerie bewundern und daran ftudieren.
So tröflete ich fchließlich Leibi damit, daß es
von Tag zu Tag heller gehen werde, daß er mir
aber verfprechen muffe, mir hie und da eine
kurze Pause zuzugeftehen.

In den weiteren Sitzungen, eigentlich müßte ich
ja fagen „Stehungen", ging es nun auch belfer.
Ich tat mein Möglichlies, mein Lorenz war flets
bereit mit Wein und Bratwürfteln und zur
rechten Zeit auch mit mahnenden W orten an
den Maler. Immerhin bedurfte es großer Ge-
duld von meiner Seile: denn mit Leibis Geduld
war es fchlechl beftellt. W enu ich nur ein wenig
die Farbe wechfelte, blaß oder rot wurde, dann
brummte Leibi selbfh ergelTen unhöflich vor lieh
hin. Ich glaube, daß er oft vergaß, daß ich ein
MenfchvonFleifch und 131ul.mil Nerven behalte!
und noch dazu eine junge Frau war, die ein Kind
unter dem Herzen trug; Für ihn war ich einlach
das Bild, das feinem Geilte vorfchwebte.
Fall nach jeder Sitzung war Leibi unzufrieden
mit reiner M'beil und grollte mit lieh und der
I .einwand, war nervös und \ erffimmt, und übermalte
am nächflen Tage alles, was am Tage
vorher enllianden war. Es ging lehr langfam
vorwärts mit dem Hilde. Schließlich konnte
mein Galle Pein Melier nicht mehr zur \ er
lÜgung lielleu und auch feine Zeit als Behüter
und Befchützer nicht mehr opfern, denn feine
Arbeiten für den Königswagen Ludwigs II.
drängten zur Fertigliellung. So mußte ich mit
Leibi umziehen. Heinrich Lolfow bot uns fein
Atelier an und ubernahm gleichzeitig die ße
fchützerrolle gegen Leibis KünfUereifer. Da
gab es manchen Scherz und Lachen von feilen
des gewandten f Ieinrieb. Lolfow über W ilhelm
Leibis V erkehr mit Damen. Außerhalb feiner
künftlerifchen Tätigkeit, im \ erkehr mit mir
als Menfch. war Leibi ja voll fcheuer Ehrerbietung
, lali hilflos durch feine zurückgezogene
Lebensart; als Künftler aber war er ein Tyrann,
fo eingefühlt in fein Schaffen, daß ihn die
kleinftc Störung während der Arbeit zu fall
brutalen Äußerungen hinriß. Deshalb weigerte
ich mich auch, ihm allein, ohne Schulz, über-
lalfen zu fein. Gott, wie war ich voll Unruhe,
wenn es, — was während der langen Zeit, die
die Sitzungen noch dauerten, doch ab und zu
vorkam, daß ich mit ihm allein blieb!
Drei Monate waren ungefähr dahingegangen!
Der Maler aber war mit lieh lehr unzufrieden.
Öfters wurde das fall fertige Bild verändert und
übermall. Endlich aber, als das Bild, fo wie wir
es heule keimen, als fertig zu betrachten war,
machte mein Gatte mit energifchen W orten
Schluß). Er war begeiftert über das W erk und
nannte alle Bedenken Leibis Grübeleien. Ich
felbit lernte verliehen, daß das Bild wundervoll
gemalt fei, aber ich borte ganz gerne, wenn mau
es nicht für abfolut ähnlich hielt, fondern offen
tagte, daß das Modell bübfeher fei. denn ich gefiel
mir nicht lehr auf dem Bilde. Mein Spiegel
fchien mir liebenswürdiger zu fein. Auf jeden
Fall war es für mich wirklich Zeit, mich von
den Leiblftrapazen auszuruhen. Schmuck und
I lul wurden noch zur eingehenden Fertigftellmig
an einer Gliederpuppe zurückgelaffen. Zu drill
im Bunde wanderten wir zu einem kleinen Fell
in Luifere Wohnung, wo wir froh und erleichtert
im Renaiffanceflübl einen Schmorbraten
fpeiiien. den Leibi fchon längft für diefe Gelegenheil
beiteilt halle. Nach einer W oche kam
auch das Bild, das Leibi felbit als das Eigentum
meines Mannes erklärte, in das leihe Stübchen.
Dei- Platz war fchon \ orherausgewählt, und auch
ein Rahmen war fchon dafür bei einem Ausflug
nach Dachau im Gärtnerhäuschen des Schloßgartens
gefunden worden.

Nun kommt noch eine heitere, kleine Nach
gefchichte. Mein graues Schleierhütchen war
ja noch bei Leibi zurückgeblieben und auf diefes
Hütchen war ich wirklich Holz. Es war mein
Staatshut aus feinem grauem Stroh in Chinefen-
form, mit einem langen, grauen Schleier gar
niert. Als Agraffe diente ein Exemplar eines
fchön präparierten To tenkop ffchmetterlings, ein
Gcfchenk von Heinrich Loflbw. Ich bat Leibi
öfters um meinen Mut, lange ohne Gehör zu
linden. Endlich eines Sonntags, ich (fand gerade
am Feiifter, fall ich Leibi durch die Schwan
ihalerftraße anmarfchieren. Li' hielt den Hut
feil unter den \rm gepreßt, und der Schleier


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