http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_51_1925/0147
EDGAR DE GAS BALLERINA
Pliot. Schwarzkopf. Zürich
wollen nicht verfuchen, den Übergang zu hören.
Genug, daß er exiftiert und vom ergriffenen
Betrachter erfahren werden kann. Ich behaupte:
es ift unmöglich, den Reiz diefer Figuren aus-
zufchöpfen, wenn man nicht von dem drängenden
, ganz nahen, ganz dichten \ erhältnis des
Dcgas zur Materie berührt ift; von feiner Luft
an den Weibern, von feinem leiden!chafüich
gefpannten Vergnügen am fportiven Wefen
der Pferde. Wir wollen die Situation beim
Namen nennen: dies ift die Kmift eines leiden-
fchaftlichcn und in der Leidenfchaft höchft
fachlichen Liebhabers fowohl der Frauen als
der Pferde. Eines richtigen Liebhabers. Alfo
nicht eines „Stiliften". Im übrigen: Leidenfchaft
bedeutet eigentlich nur die höchfte Spannung
des Sachlichen — wenigftens hier.
o ■
Diefe Figuren find keine Abitraktionen. Die
„Frage nach der Form" Icheint mitunter überhaupt
nicht gehellt. Der Malerzeichner, der
leinen Tänzerinnen und Badenden eineExiftenz
im Raum ganz beftimmter, faft ftereometrifeh
beftimmter, geradezu konftruktiver Formen an-
gewiefen hat, der feine Frauen gleichfam in
Kriftallc einfchloß, hat als Plaftikcr die Frage
nach dem „Stil" überhaupt nicht gehellt. Niehls
ift da abftrahiert; nichts ift da „auf die Linie
gebracht"; alles verweilt vielmehr mi t aller Naivität
in der Spannung des Direkt-Tatfächlichen.
Allen Äfthetikern des „intereffelofen" oder „un-
intereffierten Wohlgefallens" zum Trotz muß
hier gefagt werden: der Sinn diefer Figuren ift
das ganz Konkrete; ein Inftinkt, der heb an
ihnen ftofflich entzündet, ift höchft legitim; wir
können nicht zweifeln, daß Dcgas felbft an der
wunderbaren ftofflichen Anzüglichkeit diefer
Puppen nicht nur den Künftler, fondern auch
den Mann Dcgas entzündet hat; und diefe Erregung
ift beller als jede „rein äfthetifche". Bedienen
wir uns eines krallen Ausdrucks, um ja
nicht mißverftanden zu werden: diefe Figuren
nie Kunst für Alle. XXXX
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_51_1925/0147