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JAN VAN SCOREL
FAMILIENBILD
DAS GRUPPENBILDNIS
Die Probleme der Porträtkunft, die Aufgaben
Hellt, die jenfeits der malerifchen, graphi-
fchen oder bildhauerifchen Einftellung in pfy-
chologifchen Regionen verankert find, verdichten
und Reigern fich beim Gruppenbildnis.
Das Porträtgemälde ift einmal fehr richtig als
Ausdruck der individuellen Seelenhaftigkeit bezeichnet
worden; mit dem guten oder intelligenten
Abfchildern, mit blendender Technik in
Malerei, Zeichnung oder Plaflik allein ift es bei
dem Bildnis nicht getan, denn wenn auf irgendeinem
Gebiet der bildenden Kunft, fo ift auf
(liefern das Hinausichwingen aus der Technik
und die Anliedelung in den Bezirken des Pfy-
chologifchen (faft möchte man fagen: des Mein
phyiifchen) \ orausfetzung und Exiftenznot-
wendigkeit.
Das Einzelbildnis darf und Ioll in fich felbft
ruhen; in dem Maß, als eine Geftalt, ein Wefen,
ein Charakter bis zum letzten erfaßt, ausge-
fchöpft und in der bildlichen Darfteilung kon
zentriert ift, w ird auch feine Wirkung auf den
Betrachter ftark und zwingend fein. Bei der
Porträtgruppe, die nicht als eine zufällige Aneinanderreihung
von BildmUen, die ohne feeli-
fchen Konnex bleiben, gelten will, fondern die
ihrem Namen gemäß ein Gruppenbildnis im vollen
Sinne ift, muß dazu ein Weiteres kommen.
Es mülTen die Beziehungen derMenichen untereinander
gekennzeichnet werden, aus der individuellen
Seelenhaftigkeit, die jedem einzelnen
erhalten bleiben foll, muß etwas wie Familicn-
typenhaftigkeit oder innere Beziehung im Sinne
einer Idee, fei fie hoch oder nieder, der jeder
und jedes einzelne dient, herauswachfen. Fäden
müHen fich fpinnen, es muß ein Uberkreuzen
der Empfindungen geben, das dem Betrachter
des Bildes veranfehaulicht, wie die inneren Beziehungen
laufen, wo fich Gefühle berühren,
und welcher Art Gefühl wie Berührung ift.
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