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QUALITÄTSARBEIT
Uni er dem Titel „Die Qualitätsarbeit, ein
Handbuch für Indußrielle, Kaufleute, Gewerbepolitiker
" hat Dr. Günther Frhr. von
Pechmann ein Buch erfcheinen lalTen, das man
in den Händen aller derer willen möchte, für
die es benimmt ift. Denn hier ift zum erftenmal
ein großer Komplex von Fragen, von denen feit
einigen Jahrzehnten nicht nur von Fachleuten,
fondern auch in der Öffentlichkeit immer wieder
geredet wird, in feinen ganzen viel ver-
fchlungenen Zufammenhängen von einemKen-
ner behandelt, der das Recht hat, in diefen Fragen
nicht nur da und dort, fondern überall mitzureden
. Der Verfaßter, der vor dem Kriege
Geschäftsführer des „Münchener Bundes", jener
dem Volksbund angefchloffenen Vereinigung
von Künftlern und Kunfthandwerkern war, und
in den letzten Jahren als Syndikus eines großen
induitriellen, der Kunft fremden Betriebes Gelegenheit
hatte, die Frage auch von ganz an
deren Seiten gründlich kennenzulernen, ift
vielleicht der einzige, der heute ein lolches
Buch ohne Einseitigkeit und mit wirklicher
Sachkenntnis fchreiben konnte.
Wenn bisher von „Qualitätsware" gefprochen
wurde, fo meinte man damit in der Regel die
aus folidem Material in ehrlicher Arbeit, die auf
Täuschung verzichtet, hergcftcllte Ware, und
man fah darin ein Gefchäftsprinzip, das lieh
vorteilhaft von dem vor noch nicht langer Zeit
üblichen Grundfatz des „billig und fchlecht"
imterfcheidet, das allein dauernde Erfolge verbürgt
und vor allem auch geeignet ift, der deutlichen
Arbeit die ihr lange Zeit vorenthaltene
Anerkennung des Auslandes zu verfchaffen.
Pechmann faßt den Begriff wefentlich weiter
und gibt ihm dadurch er II feinen eigentlichen
Inhalt: er Hellt neben die Echtheit und Ehr
liehkeil des Materials und der Arbeit die Schönheit
oder, beffer gefagt, den Charakter der Form.
Damit Hellt er lieh ohne Rückhalt auf den Beden
des Deutfchen \\ erkbunds, der unter der
Führung von Theodor Fifcher, Friedrich Naumann
, und anderen feit feiner Gründung im
Jahre 1907 ununterbrochen für die Veredelung
*) Die Qualitätsarbeit. Ein Handbuch für Induftrielle, Kaufleute
, Gewerbepolitiker. Von Dr. Günther Freiherr von
Pechmann. Gebd. M. 6.—. Frankfurt a. M., Frankfurter
Societätsdruckerei G. in. b. H.
der deutfchen Arbeil, und zwar nicht nur nach
der Seite der Echtheit und Ehrlichkeit von
Material und Arbeit, fondern auch nach der
Seite der echten und lebendigen Form geworben
und gewirkt hat. Es mag heute fchon manchem
als selbftvcrftändlich erfcheinen, daß es Qualität
ohne echte Form nicht geben kann; in Wirklichkeit
aberfind die Kreife derer, die der Form
keine weitere Bedeutung zugeftchen wollen, als
daß der Handwerker und Fabrikant feinen Er-
zeugniffen diejenige Form gibt, die der Käufer
jetzt gerade im Augenblick verlangt, und die
nicht im mindeften eine Pflicht zur Veredelung
der Form — durch die der Ware eine über den
Augenblick hinausgehende Bedeutung verliehen
wird — anerkennen wollen, immer noch fehr
groß und einflußreich. Daher Lfi ein Buch wie
das vorliegende gerade deshalb fo nützlich,
weil es die Verpflichtung zur Form von vorneherein
als feftftehend annimmt und fich zur
Aufgabe macht, diefcs Problem in feiner ganzen
Tiefe und Vielseitigkeit zu unterfuchen.
Der erfte Teil des Buches enthält in fieben Kapiteln
die Unterfuchung über den Begriff der
Qualitätsarbeit und die verfchiedenen Beziehungen
des einzelnen zu der Aufgabe der
Qualitätsarbeit Die Frage nach dem Begriff
des Kimftgewerbes, nach den Grenzen von
Kunft und Gefchmack, nach den Möglichkeiten
des „Zeitftils", nach den Unterfchieden zwifchen
typifcher und individueller, mafchineller und
handwerklicher Form, nach der Form der heute
möglichen Betriebe mit ihrer verfchiedenen Art
der Arbeitsteilung und nach der Rolle, die der
Künltler, überhaupt der Entwerfende in dem
modernen Produktionsprozeß zu fpielen hat,
wird hier in lebendiger und kenntnisreicher, bei
aller Kürze tiefgreifenden Darffellung behandelt
, und der außen Hellende Lefer kann fchon
hieraus ein Bild von der Vielseitigkeit und
Wichtigkeit diefes Problems— das wahrhaftig
kein rein äfthetifches ift und daher niemals
durch eine äfthetifche Betrachtung erfchöpft
werden kann — gewinnen.
In manchem noch wichtiger ift der zweite Teil,
der wiederum in liehen Kapiteln die Frage nach
der Bedeutung des Staats für die Qualität der
Arbeil behandelt. Denn hiermit greift die Unterfuchung
über auf das Gebiet der Wirtfchafts-
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