Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 52. Band.1925
Seite: 82
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auf das Scliickfalsjalir i g 14 folgte, erft recht nicht
fo fclmell abrunden. Erft jetzt fand derKünftler
wie feine Auftraggeberin Luft und Muße, das
Begonnene zu Ende zu führen. Das Ergebnis
wurde vortrefflich.

Man kann in Bruno Pauls Entwicklung mehrere
Etappen unterfcheiden. Als er lieh zuerft, gegen
1900, von der Malerei und der Karikatur archi-
tektonifchen und kunitgewerblichen Aufgaben
zuwandte, zeichneten fich feine Zimmer und
Möbel durch das lebendige imd finnliche Gefühl
aus, mit dem fie die moderne Reform der angewandten
Kunft begriffen und ihre Gedanken
durch den Filter einer persönlichen Ausdrucksart
laufen ließen. Die Räume und die Einzelheiten,
die ßch darin fanden, waren von einer heiteren
und ungezwungenen Weltfreude getragen, die
merklich abftach von der doktrinären Blähe,
die in den neunziger Jahren aufgekommen war,
um den dicken Schwulft und die Atrappen-
manier der ratiofen älteren Dekoratioiismethodc
zu verjagen. Von vornherein rückte Paul von
der ftark nach Theorie fchmeckenden Starrheit
ab, die hauptfächlich unter dem Einfluß der
mißverftandenen Lehren van de Veldes ent-
itandeii war, und die vielleicht damals nötig ge-
wefen ift, um die Luft zu reinigen. Er legte ib-
fort besonderen Wert auf W^ohnlichkeit, praktische
Eleganz mid komfortables Behagen. Die-
fem Grundfatz blieb er auch treu, als er, ein
gutes Dezennium fpäter, zu Strengerer Ordnung
und gebändigter Ruhe der Formen überging.
Paul ftrebte nun nach Anfchhiß an die gute
Überlieferung, foweit fie modernen Zwecken
noch dienen kann. Nun, da die neuen Vorstellungen
durchgedrungen waren, komite man
fich auch wieder mit der Tradition auseinanderfetzen
, ohne daß man zu fürchten brauchte, von
ihr bevormundet zu werden. Paul fuchte vor
allem das reiche Spiel des neuen Barock, das in
den Sechziger und fiebziger Jahren in Mode
gekommen war, ans neuem Geilt felbftändig
zu nutzen und den vornehmen Gefchmack des
frühen Klaffizismus, der ja namentlich in Berlin,
am Ende des achtzehnten Jahrhunderts, eine fo
ferne Blüte erlebt hatte, fich dienftbar zumachen.
Das gefchah niemals mit kunfthiltorifcher Pedanterie
, fondern Stets mittels einer freien Verarbeitung
und Verfchmelzung mit fpezififch
modernen Anfchauungen. Man weiß heute, wie
groß die Wirkung diefes „neuen Barock" war,
das Bruno Paul in die Debatte warf.
Die dritte Periode, in die derKünftler nunmehr

eingetreten ift, Hellt gleichSam eine \ erbindung
der beiden früheren dar. Die Freude an der
Klarheit, zurückhaltenden Noblefle, fymme
tri (dien Ordnung im Ganzen wie im Detail, an
der einheitliehen Gefchfoffenheit und Durch
bildnng jedes Raumes, die vielfache Anregungen
aus der älteren KunSt übernimmt, ift geblieben.
Daneben aber macht fich, wie in einer neuen
Jugend, eine lebhaftere und beweglichere Phan-
tafie bemerkbar. Das wird, um das Beifpiel einer
Einzelheit heranzuziehen, Sogleich durch die
neue Bevorzugung von Kurven und Wellenlinien
und gebauchten Formen deutlich. Eswird
weiter erkennbar durch eine ausgesprochene
Neigung zu ftärkeren und mannigfaltigeren
Farbwirkungen. Alles ift von einer neuen W^ärme
nnd Lebensfreudigkeit erfüllt; Sah man fich
früher gelegentlich an die Grenze einer etwas
kühlen Gemeflenheit gerückt, fo ift davon nun
keine Rede mehr.

Schon das Herrenzimmer, eben jener Raum,
der bereits in Köln auftauchte, legt dafür Zeugnis
ab. Die dunkelbraune Behaglichkeit, die den
Eintretenden hier empfängt, ift mehr als anheimelnd
. Die finnreich erdachten Möbelftücke
aus kaukafifchem Nußbaum, das ganz wundervollbearbeitet
wurde, die Tapete mit den großen
Blättermotiven mit grauen, grünlichen und rötlichen
Milchnngen der braunen Grundfarbe,
der Teppich in den gleichen, ein wenig aufgehellten
Tönen und mit dem beruhigten Linien-
Spiel, die Bezüge der SefTel und der Sofas mit
dem Slreifmufter in Dunkelrot, Schwarz und
vor allem w ieder Braun verf chiedener Tonftärke
— das ergibt eine koftbar gefammelte Stimmung
. Der niedrige Schrank mit den in barok-
ken Bauchungen abgefetzten Schubladen für
Mappen, Stiche nnd dergleichen ift ein befon-
ders gelungenes Stück. Die große Nifche mit
den Sitzmöbeln am niedrigen Kamin (der eine
Schön modellierte EiSeirplatte enthält), in zarterer
Farbe von dem Arbeitsmilieu des übrigen
Raumes abgehoben, gliedert das Zimmer und
Sorgt für angenehme A erteilung der Schwerpunkte
. Alles aber wird durch die glücklich er-
dachte und überaus präzis gearbeitete Hohl-
kehle von dunklem FIolz, die fich als ein Haup t -
gefims unter der Decke ringsum zieht und auch,
w ie in breiten \ erkröpfungen, in den Gardincn-
haltern durchgeführt ift, feit nnd nachdrücklich
zulammengehallcii.

Die neuen Räume werden durch eine hell und
freudig begrüßende Diele eröffnet. Hellgrün ge-

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