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BRUNO PAUL-BERLIN GERSON-RÄUME. SCHLAFZIMMER IN GELB UND ORANGE
VON DEN MÖGLICHKEITEN DER KUNSTGEWERBESCHULEN
Den Kunf tgewerbefchulen wird deiA orwurf
gemacht, daß ihr Wirken anfruchtbarfei,
daß Tie denTiefftand kunJfthandwerklichenSchaf-
feirs nicht zn heben vermocht hätten.
In der Tat, hält mau Umfchau, was denn feit
rund 30 Jahren moderner Bewegung, der vereinten
Anftrengungen von Kihütlern, Schulen,
Werkbund, Fleimatichutz, Dürerbund ufw. bef-
ler geworden fei, dann kann man lagen: im
großen gefehen — nichts. In allen Läden wird
die gleich fchlechte,weun auch veränderte W are
angeboten wie früher, die Flut des Notgeldes war
bis auf verfchwindende Ausnahmen eine Flut
fchlechter Graphik — und Banknoten, Marken,
Gedenktafeln, Kriegsehrmigen, Wohnhäufer
der neuen Reichen, alles wird fchlecht und
„originell" oder anfpruchslos fchlecht — wie
zuvor. Dazwifchen eine Eruption von poliertem
Mefling, ein Wald von hohen Stehlampen
mit taufend Formen von Schirmen, und in der
Unterhaltung in jedem zweiten Satz das Wort
Kosmos.
Sicher — dies alles haben die Kunilgewerbe-
fchulen nicht zu hindern vermocht.
Verfuchen wir zu umreißen, was denn eigentlich
von ihnen gefordert wird: die Praxis
erwartet von ihnen die Schulung brauchbarer
Hilfskräfte, folcher, die lieh einzufügen verliehen
in die Forderungen des Tages, will lagen
der Brotgeber und des breiten Publikums. Die
Schüler felbft, die ein Handwerk erlernt haben,
wollen im mehrjährigen Schuibefuch fo gefördert
werden, daß fie nachher eine belfere
Stelle bekleiden, ein höheres Einkommen erreichen
können. Die Schülerinnen, die nichts
gelernt haben, erhoffen eine angefehene Stellung
als „Kunftgewerblerin". Die moderne Bewegung
fordert, daß die KunftgewerbefchnIch
Laboratorien feien neuer formaler Möglichkeiten
, und Staat und Stadt verlangen unter
dem Zwange der Not, daß die Schule produktiv
fei, erftrebe, lieh felbft zu erhalten. Zur
Erfüllung aller diefer Forderungen liehen zur
Verfügung: ein zum größten Teil lebensläng-
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