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BRUNO PAUL-BERLIN
Lieh angeheiltes Kollegium, delTen jüngftes
Mitglied vielleicht 20 Wochen, deJTen älteftes
10 Jahre „im Dienft" ift, Schüler verfchiedenen
Alters, verfc11 iedener Vorbildung, verschiedener
Begabung, Schülerinnen (foweit es lieh nicht
um Handarbeiten und Kleider handelt) ohne
Vorbildung und ebenfo unterfchiedlicher Bega-.
Innig. Zeitaufwand der Tagesschüler und- Schülerinnen
: ein bis sechs Semefter, feiten mehr, je
nach der wirtschaftlichen Möglichkeit. Verpflichtungen
zu einer beitimmten Dauer des
Studiums gibt es nicht, denn man erwirbt auf der
Kunftgewerbefchule keine „Berechtigungen".
Man w ird yerftehen, daß folche Schulen immer
irgendwo \ erfagenrnüflen, und da die gleichbleibende
Unkultur unlerer Zeit nicht zu leugnen
i (t, einzelneKünftler, Mci fter, Betriebe nicht verantwortlich
zu machen find, werden die Kunstgewerbe
tchulen zu Prügeljungen.
\\ ie kam es doch, daß fie in diefe Lage hin-
einwuchfen? I'ine Kultur kann man nicht machen
. Sie erblüht aus einem dafür tragfähigen
GERSON-RÄUME. VORPLATZ MIT LACKMÖBEL^
Zuftand der menfehlichen Seele. So erftand
die Gotik, und lie verklang, nach dem klaffi-
zütifchen Intermezzo Renaiflance, in den brau
fenden Akkorden des Barock und den Läufen
des Rokoko. Mit ihm erlofch, was man im
eigentlichen Sinne einen Stil nennen kann. Der
menfehhehe Geifthatte lieh gewandelt. \\ asdie
franzölifche Revolution vorbereitete, bedeutet
eine andere Gerich te theit seiner. Auf klärung, Erkenntniskritik
, NaturwilTenfchaft, fozialeForderungen
; Technik, InduJftrie, Organifation. Das
ili eine \ erfaflung, aus der die formale Geftal-
tung von Bau und Gerät nicht mehr zwangsläufig
erwächft. Sic wird gemacht, unter gewollter
Aufnahme fremder Elemente (Empire,
Rom, Ägypten), und lie finkt unaufhaltfam in
ihrem fchöpferifcheii Gehalt. Um die Mitte des
19. Jahrhunderts war es mit Händen zu greifen:
das Handwerk war noch da, der Geilt hatte lieh
\ erflüchtigt.
So mußte der Handwerker Gelegenheit erhal-
ten, ihn wiedereinzufangen. Schulen griffenhel-
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