Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 52. Band.1925
Seite: 102
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_52_1925/0126
Aber wozu foll man ihn fechsmal verfchieden
machen, da doch eine „gute" Form genügt? Da
liegt es. Um anzulocken! Die paar guten Möbel,
Gläfer, Lampen ufw., deren wir bedürfen,
hätten wir längft, wenn wir uns begnügen wollten,
bei ihnen zu verbleiben.

Nicht nur, daß mduftrie und Kunfthandwerk
daran kein InterefTe haben, auch der Käufer hat
es nicht. Wem 1 es eine ganz wundervolle einfache,
alle anderen überragende TeetafTe gäbe, dann
\\ a rden bald viele eine fchlechtere, teuere kaufen,
nur weil die andere all und jeder hat und man
iie fich übergesehen hat. An diefem „Wechfel-
fieber" wird alles Bemühen um die fog. Typen
für die Induftrie immer wieder feheitern.
Natürlich ift diefes Schaffen immer neuer
Modelle eine große V ergeudung an Kräften,
aber wie dem Einhalt tun? Durch einen Reichs-
Kunftpoliziften, derbeftimmt, was gemacht werden
darf und was nicht, durch ein Ministerium
zur „Stabililierung" der Form?
Nach dem „Zurück zum Flandwerk, aus dem
das Gute von felbft entfteht" (und ans dem es
merkwürdiger weife einmal von felbft entwich),
muß ein zweites Schlagwort beleuchtet werden,
durch das das Problem verdunkelt wird: Das
ift „Die Führerrolle der Baukunft". D e n Un-
1hm, daß die Baukunft die Mutter der Künfte
fei, hat man ja nachgerade fallen lafTen. Der
Menfch Ichmückte feine Wände mit Tierdarfteilungen
, fchnitzte freie Bildwerke, verzierte
fein Gerät, als er noch in Höhlen wohnte.
Aber: alles eine Reh zum Bau, empfange von
ihm feine Geletze, und alles wird von felbft
gut (wieder einmal!). Zunächft: Die Künfte ent-
fpringen einem beftimmten, gebärfälligen Zu-
ftand der menfehlichen Seele; nur aus ihm kön
neu fie ihre Gleichgeartetheit, fo daß lie miteinander
in Harmonie flehen, empfangen. Die
Baukunft kann mit den anderen Künften ge-
meinfam wirken, aber fie kann ihre formale
Art nicht erzeugen.

Der \\ ille, nur mit ihren eigenen Mitteln wirken
zu wollen, ift ünferer modernen Baukunft
fchon vor dem Kriege eigen gewefen, hat mit der
Not nichts zu tun. Dies aber, was die Zeit auslieh
gebiert, tritt in den letzten Jahrzehnten in
der Malerei, der verpönten, z wecklof en, am erften
und ftärkften zutage. "V 011 einer Führerrolle der
Baukunft kann gar keine Rede fein, fo hoch fie
für lieh felbft zu werten ift.

Und nun noch eine weitere Tatfache: In unfe-
rem Volkskörper leben viele Schichten neben

einander, die, gleichalterig, um Jahrzehnte auseinander
find, foweit es ihr Verhältnis zu den
Künften betrifft. Dies ift in einer Zeit wie der
unleren natürlich, aber es ift auch natürlich, daß
man diefe Schichten durch keinerlei künftle-
rifche Geftaltung einheitlich ergreifen kann.
Und nicht nur deswegen nicht, weil der Geschmack
verschieden wäre, fondern weil alle
Vorausfetzungen für ein gleiches Ergriffen fei 11
aller durch Gleiches fehlen.
Alfo ganz nackt und bloß: die formale Geftaltung
, das, was aus dunklem Schoß fich felbft
gebären muß, ift das eigentliche Problem der
Schule. Uber alles andere:Handwerklich-Tech-
nifches, Organifation, Produktion, könnte man
lieh leicht verftändigen.

Lft nicht fomit das ganze Unterfangen der Schulen
ausfichtslos? Es darf behaup tet werden, und
dies gefchieht mit allem Nachdruck, daß, w a s
überhaupt an Belferung zu verzeichnen ift,
nicht ohne fie hätte gefchehen können. Sie
werden bei weifer Befchränkung dem Handwerk
und der kulturellen Bewegung, die allerdings
aus anderen Quellen gefpeift wird,
dienen können und es tun, aber wer von
ihnen allein das Heil erwartet, verkennt, was
zum Heile führt, nämlich eine andere Ge
richtetheit des Geiftes, delfen Götze dieW irl
fchaft heißt und mit dem unfere Unkultur untrennbar
verknüpft ift. Das Entfcheidende \\ i r< I
immer durch die frei Schaffenden gefchehen.
Eine klare Stellungnahme aber fordert dieW eiterarbeit
der Schulen vom Handwerk. Dalä
die Lehrlinge der kunft handwerk liehen Berufe
ihren Fachunterricht von Beginn anftatt in der
Fortbildungsfchule in der Kunftgewerbefchule
erhalten, wenn eine am Ort ift, daß diefe ihre
W erkftätten ausbauen, einige Lehrlinge aufnehmen
und das Mufter einer guten Ausbildung
aufhellen, daß fie fo weit produktiv werden
, als die Erhaltung der Schulen und Unter-
ftützung begabter Schüler es fordert, muß ihnen
vom Handwerk zugeftanden werden.
Grundfätzlich ift die gute Meilterlehrc die belle
Ausbildungsgelegenheit für den kunfthandwerk -
lichen Nachwuchs — dies bleibt beftehen. Aufgabe
der vereinten Anftrengungen von Handwerk
und Schulen ift es, dahin zu gelangen,
daß diefe überflüffiff werden — das Handwerk
keiner Unterftütziuig durch Schulen mein" bedarf
. Gutes Handwerk aber ift, was viele in gleicher
Weife können, alfo etwas Unperfönliches.
Dahin muffen wir \\ ieder gelangen. Rudolf Bodelt

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