Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 52. Band.1925
Seite: 157
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_52_1925/0191
VON HAMBURGER GÄRTEN

Die Schönheit alter klassischer Gärten löst
auch heute noch unsere Bewunderung aus.
Versuchen wir uns über das klar zu werden,
was uns in diesen alten Gärten so stark anspricht.
Es ist wohl nicht gerade das Altertümliche und
Ruinenhafte, auch [nicht der Zauber der Stille,
des teilweise Verwilderten; auch nicht eben die
Schönheiten der Form an sich.
Wir werden immer wieder den Ursachen nachgehen
, welche diese Gartenschöpfungen so entstehen
ließen. In ihrer ursprünglichen Gestalt,
belebt von jenen Menschen, die sich ihre Gärten
ihren Lebensgewohnheiten entsprechend schufen
, waren Menschen und Gärten viel inniger
miteinander verbunden.

Schwärmerische Romantik führt uns ebensowenig
zur Erkenntnis, als verstandesmäßige
Rekonstruktionen und intellektuelle Spitzfindigkeiten
. Wo der Mensch seine Umgebung geistig
und seelisch liebend und schaffend dauernd stark
beeinflußt, da fühlen wir noch lange, oft nach
Jahrhunderten nach seiner Loslösung aus seiner
Umgebung seinen geistigen Hauch. Wir fühlen
uns in geschmackvollen, freundlichen, stark benutzten
Wohnräumen heimischer als in wenig
benutzten Zimmern. Urgroßvaters gemütliches
Hausgärtchen ist uns ebenso lieb, wie der prunkvolle
Schloßgarten [mit seinem wogenden Gepränge
. Dagegen läßt uns jeder Garten kalt,
bei dem wir wahrnehmen, daß er vom Eigentümer
selbst wenig benutzt und gepflegt wird;
gleichgültig, ob er wenig oder Hunderttausende
von Goldmark gekostet hat. Der wirklich gebildete
Mensch versteht es beim besten Willen
nicht, wenn für das Wrohnhaus bedeutende
Summen aufgewendet werden, während daneben
ein recht billiger Garten verwahrlost.
Den heutigen Menschen lockt so viel aus seiner
Häuslichkeit, so daß er sie oft nur als kurzen
Aufenthalt benutzt und kaum noch die Kraft
besitzt, sich mit Dingen zu beschäftigen, die
ihm das Heim zur Heimat machen. Nicht nur
die armen, sondern auch die begüterten Zeitgenossen
sind zum Teil vom Boden losgerissen.
Selbst bei großem Grundbesitz finden wir jenes
innige Verwobensein des Hausherrn und seiner

Familie mit dem Garten und seinem Leben
immer seltener.

Der Städter fühlt wohl, daß ihm nur im Garten
die Möglichkeit gegeben ist, im Heimatboden
wieder Wurzel zu fassen. Die Folgen für das
Volksganze sind noch gar nicht abzusehen, wenn
wir das Gebiet der Gartensiedlung weiterhin so
leichtfertig behandeln wie bisher.
Die Stellung, die wir zum Garten einzunehmen
haben, ist dieselbe wie beim Wohnhaus. Aber
viel mehr als beim Hause wird beim Garten das
seelische Moment zum Ausdruck kommen
müssen. Ist uns schon bei vielen täglichen Gebrauchsgegenständen
ihre Form und ihr Zustand
nicht gleichgültig, ja, wissen alter Hausrat und
liebe Erinnerungsstücke oft eine sehr vernehmbare
Sprache zu reden, so trifft dies beim Garten
in sehr verstärktem Maße zu. Der Garten
mit seinen lebenden beseelten^ Bewohnern als
Pflanzen 'und (Tieren steht uns viel näher als
die toten Baustoffe des Hauses, mögen sie auch
von Meisterhand geformt sein. Wer für dieses
Eigenleben des Gartens Sinn hat und wessen
Sinne fein genug sind, die Sprache dieser Gartengeschöpfe
zu empfinden und zu verstehen, dem
wird der Garten zu jeder Tages- und Jahreszeit
sehr viel zu sagen und zu geben haben. Es wird
ihm auch nicht gleichgültig sein, wie sein Garten
angelegt ist, und jvon welchem Standpunkt aus
sein gärtnerischer Berater ihm in der Verwirklichung
seiner Gartengedanken behilflich ist. Es
werden sich 'persönliche seelische Beziehungen
zwischen dem Gartenfreund, den einzelnen
Pflanzen, Tieren und den verschiedenen Garteneinrichtungsdingen
bilden, welche zu eigenster
persönlicher Teilnahme führen. Wir werden
daim sehen, daß sich durch diese Teilnahme
ein ganz anderes Gartenleben entwickelt und
uns der Garten dies in überreichem Maße
dankt.

Es wird nicht jmehr möglich sein, den Garten
gleichgültig oder gar als lästiges Anhängsel zu
betrachten, das man möglichst billig abzufertigen
sucht. Diesen Selbstbetrug mit möglichster
Billigkeit hat mancher beim Hausbau bitter
genug bereuen müssen. Wir sollten uns auch

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