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stehen zu lassen. Auch haben hier die verkleideten
Fenster in der Wand sachliche Funktionen,
während wir z. B. an der Südfront und dem
Turm Nischen und Vertiefungen finden, die,
architektonisch ohne Bedeutung, dekorativ-glie-
dernd wirken sollen. Zweifellos erhöht die rhythmische
Folge der Säulen aus grauem „Stockholmer
Granit" den Festcharakter der Halle.
Breit hingelegt führt eine Treppe an der Nordseite
zu dem Altan, der an der ganzen Ostseite
entlang läuft und hier von dem Säulengang
unten getragen wird, der an den übrigen Seiten
die Korridore derDiensträume stützt. Der Allan
(ebenso wie Treppe und Bodenbelag aus Kol-
märdsmarmor) bildet die Verbindung zu dem
zweiten großen Festsaal dieses westlichen Komplexes
: dem „Goldenen Saal".
In den Ausmaßen von 44m Länge, i4 m Breite
und 12 m Höhe ist hier eine Unwahrscheinlich-
keit nordischer Architektur geschaffen: ein Mosaiksaal
. Gegen die Nüchternheit der Decke,
die ohne Verkleidung die Betonkonstruktion erkennen
läßt, steht ein Prunk von rhythmischen
Reflexen der goldenen Mosaiks in den Fensler-
und Türnischen, die sich in dem glänzenden
Marmorboden spiegeln. Nach Ostbergs Wollen
„hat der Saal die Aufgabe, den ersten repräsentativen
Versammlungssaal der Stadt zu bilden;
er gibt die Möglichkeit zu einem Bankett für
750 Personen, und bei Empfängen der Stadt
und bei Volksfesten ist er berechnet, zusammen
mit der Blauen Halle, als ein einziger auf zwei
Etagen liegender großer Festsaal zu dienen, mit
wenigen, aber reichen Möbeln" (diese nach Entwürfen
von Ernst Spolen). Die Mosaiken der
Wände sind nach Kartons von Einar Forseth
durch eine Berliner Firma ausgeführt.
-Die Verbindung zu der östlichen Partie des Stadthauses
bildet auf der nördlichen Seite ein geräumiger
Korridor, der von der Hofseite beleuchtet
wird. Wände und Decke sind mit architektonischer
Sachlichkeit durchgearbeitet und
haben einen angenehmen Rhythmus in der Gliederung
. Gebälk und Wände stoßen unvermittelt
gegeneinander, und so wirkt das Absetzen durch
zwei Rundbogen, die eine kleine Halle einschließen
, fast seltsam, wie auch der endgültige
Abschluß des Korridors durch ein Rundbogenpaar
, das von einer Säule getragen wird, das
eigentliche Motiv fallen läßt. Diese Erscheinungen
und die Kronleuchter unterbrechen
nicht zu Gunsten der Raumwirkung das Ganze.
Auf der Südseite liegt als wesentliches Bindeglied
zwischen den beiden Hauptteilen des Baues
„die Galerie". Die an sich glänzende Raumgestaltung
ist auch hier durch eine Reihe von
Kristall-Kronleuchtern durchbrochen. Auf der
einen Seite öffnen sieben Fenster einen reizvollen
Ausblick auf Riddarfjärdenund den hochgelegenen
Süden der Stadt, während die gegenüberliegende
Seite durch eine Säulenreihe aus
schwarzem Granit gegliedert ist. Hinter diesen
Säulen ein entsprechendes Bild zu dem Blick
aus den Fenslern: „Stockholms Stränder", eine
Reihe von aristokratisch zurückhaltenden Fresken
des Prinzen Eugen. Die Stuckarbeiten in
den Fensternischen von J. A. G. Acke bilden
eine Reihe von figürlichen und ornamentalen
Kompositionen mit meist poetischen Motiven.
So betritt man endlich den Hauptraum des Westteiles
, den Sitzungssaal der hundert Stadlbevollmächtigten
. Hier kommt das eigentlich schwedische
Material zu seinem vollen Recht und in
glänzender Weise zur Geltung: das Holz. Zwar
ist der Boden mit roten Teppichen ausgeschlagen
, doch Wände und Decke geben dem
Künstler Möglichkeit genug, nach schwedischer
Uberlieferung Holzkonstruktionen durchzuführen
. So ist der Raum durch den Dachstuhl bis
zum First in 19 m Flöhe olfen. Dieser Dachstuhl
ist streng architektonisch im Aufbau und in
der Gliederung, eines der erfreulichsten Raumbilder
des ganzen Baues. Die Wände haben ein
Rahmenwerk aus rohem Fichtenholz, das aus
akustischen Gründen mit Stoff bespannt ist.
Auch die beiden Tribünen auf den Kurzseiten
des Saales haben eine schlichte Holzkonstruktion
. Den Farbenakkord des Raumes nennt Ostberg
selber „einen Versuch, unseren hellen Ton
des 18. Jahrhunderts mit dem urschwedischen
Rot zu stimmen." Die dekorative Farbenskala
ist im übrigen in einem grauen Mittelton in Blau
und Schwarz gehalten, und die Motive der üaeh-
felder lassen bei näherem Zusehen Stockholmbilderaus
den versch iedensl en Zeiten erkennen—
alles unter ein- und demselben blauen Flimmel".
Muß man im ganzen das Stadthaus noch zur
historisierenden Architektur rechnen, so gibt
doch gerade dieser Beratungssaal ein Zeugnis
von schwedischer Feinfühligkeit und dem Geschmack
, mit dem Ostberg Erinnerungen und
Impressionen umzugestalten weiß. Mit kühner
Licens stellt er diese gegeneinander, die andere
ohne die persönliche Note, die Ostberg in hohem
Maß kennzeichnet, zu ungeheuerlichen Ver-
irrungeil geführt hätte. Walther Karbe-München
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