Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 52. Band.1925
Seite: 176
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_52_1925/0212
griffen auf das Münster selbst nicht Zurückschreckendem
ist viel brave Mittelmäßigkeit,
viel guter Durchschnitt am Werk gewesen. Fast
alles, was prämiiert wurde, gehört in diese Kategorie
der guten Mittelklasse, des Unpersönlichen,
des akademischen Durchsclmittes. Das Preisgericht
selbst sagt u. a. in seinem Schlußurteil, das
protokollarisch niedergelegt wurde:
„Wenn der Wettbewerb im allgemeinen beurteilt
werden soll, so ist vor allem mit der größten
Bewunderung die Gesamtarbeit, welche die
deutsche Architektenschaft hier geleistet hat,
hervorzuheben. Es muß zwar mit Bedauern
festgestellt werden, daß die Arbeitslosigkeit die
starke Teilnahme wesentlich mitveranlaßt hat,
aber es ist doch sicher auch der der Architektenschaft
innewohnende ideale Sinn hier lebendig
gewesen, um sich bei einer Arbeit zu betätigen
, die eines der kostbarsten Baudenkmale
auf deutschem Boden betraf. Der außerordent-
lichenBeteiligung am Wettbewerb hat der Stadtrat
. Ulm in dankenswerterweise dadurch Rechnung
getragen, daß er die Preis- und Ankaufssumme
erhöht hat.

Der Durchschnitt der künstlerischen Leistung
bewegt sich auf einer bemerkenswerten Höhe,
aber mit Bedauern stellt das Preisgericht fest,
daß noch immer ein bombastisches Ubermaß
einen Teil der Architektenschaft beherrscht,
eine Gesinnung, die hier um so auffälliger wirkte,
als es für jeden feinfühlenden Menschen klar ist,
daß es sich um die entschiedene Unterordnung
neuer Baukörper unter die Macht eines vorhandenen
verehrungswürdigen Bauwerkes handelt.
Bedauerlich wirkte ferner, daß so große Unklarheit
darüber herrscht, wo die strengen Methoden
der Achsialität und Symmetrie am Platze
sind und wo nicht. Um nun dem baulichen Problem
im besonderen näherzutreten, so ist das
Preisgericht der Meinung, daß es sich für die
Stadt Ulm nicht darum handeln kann, an dieser
Stelle romantische Kleinstadtpoesie zu treiben,
sondern vielmehr scheint der Anspruch durchaus
berechtigt, daß die in gewaltigem Aufschwung
befindliche Stadt an dieser Stelle des
zentralen Verkehrs neben der Erfüllung der das
Münster betreffenden Belange einen Mittelpunkt
von entschiedener Wirtschaftlichkeit gewinne."
Das Fazit ist also dies, daß von all den eingereichten
Entwürfen, die tatsächlich zum größeren
Teil nicht wußten, worauf es ankam, die
den Gedanken der Tradition ebenso verkannten
wie die Aufgaben einer in die Zukunft weisen-

den Industrie- und Großstadtentwicklung, keiner
sich zur Ausführung eignet. Man hat sich
deshalb von seiten der Stadt, die in ihrem Oberbürgermeister
Dr. Schwammberger einen eilri-
gen Vorkämpfer des Projekts besitzt, an Theodor
Fischer mit der Bitte gewandt, eine Bebauungsskizze
zu liefern. Auch von Hermann
Sörgel hegt ein nachträglicher Bebauungsvorschlag
von bemerkenswerter Kraft vor. Sörgel
selbst sagt, daß sein Vorschlag neben Eigenem
auf den Urteilen, Äußerungen und Korrekturen
des Preisgerichtes und aus Anregungen, die ihm
von einigen der eingesandten Entwürfe kamen,
beruhe. Auch bei Fischer wird wohl die intensive
Beschäftigung mit der Materie, die ihm
seine Tätigkeit beim Preisgericht brachte, auf
seine Entwurfsskizze eingewirkt haben. Sollten
solche Momente nicht einen Fingerzeig geben?
Man veranstalte einen engeren Wettbewerb, zu
dem man die 15 oder die 34 einlädt, vielleicht
auch noch einige andere, vielleicht sogar das
Preisgericht selbst, und bilde eine neue Jury.
Heute weiß jeder, der sich an dem Wettbewerb
beteiligte und die Riesenschau der eingereichten
Entwürfe durcharbeitete, worauf es ankommt.
Das Preisgericht selbst hat ja entscheidende
Fingerzeige gegeben, indem es z. B. daraufhinwies
, daß die Rücksichten auf das Münster durch
eine der Westfront entsprechende Größe und
Form des eigentlichen Münsterplatzes zu beachten
wären, daß von der Verkehrslinie Hirsch-
Langestraße aus sich Möglichkeiten bieten, einen
oder mehrere seitliche Blicke auf den Münsterturm
zu gewinnen, endlich daß der Wunsch der
Einwohnerschaft, beim Austritt aus der Hirschstraße
den freien Blick auf die Westfront bis
zum Boden zu behalten, trotz allem nicht entscheidend
sein dürfe, da der Turm von weiter
östlich gelegenen Punkten aus notorisch besser
wirke. Auch die Wirtschaftlichkeit des Neubaus
, die verlangt, daß er möglichst nahe an den
Verkehrsstrom herangerückt wird, muß bedacht
werden. Solche Gesichtspunkte geben neue Einstellungen
und fordern eine nochmalige Behandlung
des Projekts in einem neuen klaren Preisausschreiben
im engeren Kreise. An der finanziellen
Seite oder an kleinlichen Bedenken dürfte ein
solcher neuer Wettbewerb nicht scheitern. Hier
geht es um ein so wichtiges Baudenkmal, um eines
der bedeutsamsten Slädtebilder Deutschlands,
daß alle Skrupel und Zweifel gegenüber der Erkenntnis
, einer großen Idee dienen zu müssen,
zurückzutreten haben. Georg Jacob Wolf

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