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PAUL LUDWIG TROOSTS NEUE RÄUME DER JACOBIHALLE
IN BREMEN
So viel zunächst von dem Bauwerk selbst:
Reste einer Ende des zwölften Jahrhunderts
gegründeten and dem hl. Jacobus geweihten
Kirche, die nach der Reformation der Bremer
Schmiedeziinft als Amtshaus überwiesen
wurde, 1697 bis auf den Chor und ein paar
Seitenkapellen abgebrochen werden mußte und
mit diesen kümmerlichen Resten 1861, nach
der Aufhebung der Zünfte, in Privathände
überging. Unter dem neuen Besitzer Umwandlung
des alten Zunftgebäudes in ein Speisehaus.
Kümmerliche Reste, aber noch genug, um
durch die Einziehung einer Decke in den ehemaligen
Kirchenraum unten eine gewölbte Flalle,
oben einen mit dem alten Gewölbenetz überdachten
Fes träum Zugewinnen. Nicht genügend
aber, um den an einen neuzeitlichen Wirtschaftsbetrieb
zu stellenden Anforderungen zu
genügen. Daher erst Anbauten an die alten Kirchenreste
und dann Umbauten in den neuen
Räumen. Um den letzten dieser Umbauten
handelt es sich hier.
Architekt ist Professor Paul Ludwig Troost,
Bildhauer Professor Wackerle. Die Ausführung
lag in den Händen der „Bremer Holzkunstwerkstätten
, Johannes Andresen". Der Auftrag,
für den die Inhaberin der Jacobi-Halle, Frau
J. C. Kalb, dem Architekten großzügig freie
Hand ließ, erstreckte sich auf die Ausstattung
eines zwei Räume umfassenden Weinrestaurants
und zweier kleinerer Gesellschaftsräume.
Es war keine Arbeit vom Umfang dessen, was
Troost auf den Dampfern des Norddeutschen
Lloyd zu leisten hatte. Dafür war es eine Aufgabe
von besonderem Reiz: Wrie drüben, am
anderen Ende des Flurs eine Art Klosterkeller
mit seiner Auerbach-Stimmung geschaffen war,
so mußte hier dem Geist von heute die Note
abgerungen werden, die Intimität und Repräsentation
vereinigt. Also „Kabinett-Kunst" im
eindeutigsten Sinne des Wortes.
Für die Weinstuben waren zwei Zimmer zusammenzufassen
, die mit einer Boden-Differenz
von etwa einem Meter nebeneinander lagen. Der
natürlichen Trennung auszuweichen war nicht
möglich, die Vereinigung der beiden Räume zu
einem Ganzen dagegen aus wirtschaftstechnischen
Gründen unbedingt erforderlich. Bei
dem tief erliegen den, also bei durchgehender
Decke höheren Zimmer, mußte man sich außerdem
mit einem durch die Straßenlinie bedingten
schiefwinkligen Grundriß abrinden. Troost
verbesserte zunächst diesen Grundriß. Er führte
den Raum auf der Basis der Schmalseite geradlinig
durch und teilte den übrigbleibenden Keil
in Nischen: drei Nischen von gleicher Höhe wie
der Hauptraum und groß genug, um einen
runden Tisch für sechs bis acht Gäste zu
geben. Gegenüber war die Verbindung mit dem
anschließenden höher gelegenen Zimmer zu
schaffen. Verbindung und Trennung zugleich.
Troost wählte einen Bogen und vorliegende Stufen
mit Brüs tung. Dadurch war das Nischen-Motiv
in zwei Variationen aufgenommen: Als
Wandausschnitt in dem Bogen mit seinem
Durchblick, als Stimmungsträger in den rechts
undlinks der Treppe bleibenden behaglichen Eckplätzen
. Unmittelbar an der Eingangstüre liegt
ein zwei Stufen hoher Podest, der sachlich die
Aufgabe zu erfüllen hat, auf der einen Seite die
Kleiderablage, auf der anderen die Musiker-
Loge aufzunehmen, in der Raumdisposition
aber den Eintretenden mit Absicht zu kurzem
Verweilen zwingt und so die Spannung
erhöhl.
Diese klare und überlegte Raumteilung steht
nun unter einer dekorativen Behandlung, die
das Rein-Architektonische unmerklich weiter
betont und zugleich die Gesamtanlage zum einheitlichen
Eindruck zusammenfaßt. Dem Gast,
der das Haus selbst durch einen Windfang mit
Marmorgewände und geschnitztem Oberlicht
betritt, wird beim Eintritt im Vorraum das
Bild soweit gegeben, daß er die Weinstube in
ihrer ganzen Tiefe überblickt und durch den
Bogen links die Raumfolge und den Zusam-
Dekorative Kunst. XXVIII, 8. — Mai 1925
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