Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 52. Band.1925
Seite: 199
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_52_1925/0239
nicht etwa gesättigter und klingender im schön-
lieitliclien Sinn — sondern spannungsreicher
und ausdrucksvoller zu gestalten.
Architektur vermag nur, indem wir ihre Proportionen
und Gliederungen „menschlich deuten
", indem wir uns in sie einfühlen, Seelisches
auszudrucken. So wie die Blöcke heute sind,
haben sie etwas völlig Indifferentes: es ist Masse,
die noch nicht geformt ist. Zum mindesten
wäre zu fordern, daß, unbeschadet der Einbindung
des Denkmals ins Terrain, der optische
Eindruck, als ob sich der Deckblock in der
Mitte senke, durch eine leise ansteigende Linie
ausgeglichen würde.

Der Stimmungston des Denkmals soll wohl der
einer geradezu prähistorisch anmutenden primitiven
Schlichtheit und wuchtigen Massen-
haf tigkeit sein. In diesem Sinne wirkt die Knappheit
, mit der der Riesenblock auf seinem Unterbau
aufliegt, abschwächend. Wo Fülle und unbändige
Kraft herrschen sollen, darf es nichts genau Abgepaßtes
geben. Ebensowenig scheint es mir im
Stil des Denkmals zu liegen, daß diese großen,
ungeschlachten Blöcke so haarscharf winkelrecht
und scharfkantig mit der Steinsäge geschnitten
und noch dazu geschliffen sind. Es
ist inkonsequent, Proportion und Kontur bewußt
im Dumpfen zu lassen und zugleich deutlich
zu machen, wie vortrefflich man diese Steine bearbeiten
konnte. In prähistorischer Zeit hat man
mit Findlingsblöcken gearbeitet, aber hier fragt
jedermann : wenn schon, warum hat man die
Hlöcke nicht anders bearbeitet? Außerdem
bekommt der gelbliche Stein, besonders bei
nassem Wetter, durch die Politur einen unangenehmen
fettigen Glanz. So entscheidend
und rettend der Ehrenhof mit der senkrechten
Futtermauer für die Betrachtung des
Denkmals von diesem Ehrenhof aus auch sein
wird, die fatale Aufsicht vom Hofgarten her
wird damit nicht aus der Welt geschafft.
Fatal in einem doppelten Sinn: einmal muß
ein Bau, der wuchtig und eindrucksvoll wirken
soll, immer von unten gesehen werden.
Jede Aufsicht schwächt, ja vernichtet diesen
Eindruck: Wie soll etwas wuchtig und lastend
auf mich wirken, wenn ich darauf hinunter
sehe ? Und dann, gestehen wir es offen, was uns
vorzüglich weh tut, das ist jene nichtssagende
Oberfläche des Deckblockes. Die wird aber

nur wirksam in der Aufsicht. Vom Ehrenhof
aus wird sie nicht sichtbar sein. Nun war
es Absicht der Künstler auf eine Konkurrenz
mit der überragenden Hochform des Armeemuseums
zu verzichten. Das Denkmal soll als
Flachform, in die Fläche des Platzes eingespannt
wirken. Tut es das ? Oder liegt hier
nicht eine jener gedanklichen Konstruktionen
vor, die vor der Wirklichkeit des sinnlichen
Eindrucks versagen? Wirkt das Denkmal nicht
doch als — halb im Boden stecken gebliebene —
„Hochform"? Und wird es nicht von der lauten
Fassade dahinter um seine spezifische Wirkung
gebracht? Auch da wird der geplante
Ehrenhof durch die stärkere Isolierung, die er
dem Denkmal gewährt, die Lage entscheidend
verbessern.

Diskret wahren die an Negativformen (Model)
erinnernden Flachreliefs an den Stirnseiten der
Stützpfeiler die Blockform. Ein für die südliche
Futtermauer bestimmtes Relief, das den ewigen
Marschrhythmus des großen Krieges zum Erlebnis
macht, kann der Schlüssel zu diesem
Denkmal werden. Es ist allerdings jenseits des
anthropomorphen Ideals ein Standpunkt möglich
, von dem aus die Schwächen Vorzüge werden
: wo das Formlose Ausdruck des Grauenhaften
, des Schicksalhaf ten und Gequälten wird.
Soll die Vernichtung der Persönlichkeit, soll
der Triumph der Masse über den Einzelnen,
der Triumph des Stoffes über den Geist mit
zynischer Offenheit dargestellt werden, dann
allerdings ist er große Expression, dieser brutale
Block, der aufreizend wirkt in seinem
dumpfen Dasein.

Großen Abstand zu diesem harten Stimmungston
, den das Denkmal leicht bekommen kann,
hält der liegende Krieger im Innern der Krypta
von Bernhard Bleeker. Er ist eine Sache für
sich, ein Wrerk von hoher Schönheit, schlicht
und groß gesehen. Es ist moderne Plastik im
besten Sinn des Wortes: durch die sich ewig
gleich bleibenden Grundgesetze künstlerischer
Gestaltung mit den Werken der Vergangenheit
verbunden, modern durch die spezifische
Art der Vereinfachung, durch den spezifischen
Rhythmus der Flächen und des Konturs. Und
wobei deutlich wird, daß der moderne Geist und
die moderne Formensprache nicht notwendig
die Dissonanz bedingen. Hans Kiener

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