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FRANZ ANTON BUSTELLI
DER MEISTER-MODELLEUR VON NYMPHENBURG 1754—1763
Die seltsam vielgestaltige Kirnst des 18. Jahrhunderts
hat als eine ihrer prächtigsten
und eigenartigsten Blüten die Porzellanplastik
hervorgebracht. Die Modellmeister, die hier am
Werke waren, nachdem einmal als natürliches
Format das des spannenlangen Figürchens gefunden
ward, können sich getrost neben jene
Bildhauer dieser Zeit stellen, die ihren Ruhm
mit monumentalen Statuen in Kirchen, Schlössern
und Gartenanlagen begründeten. Und es
ist bezeichnend, daß jenes Land, dem in Europa
die Nacherfindung des technischen Geheimnisses
der Porzellanfabrikation geglückt war, auch am
erfolgreichsten in der figürlichen Gestaltung der
Erzeugnisse gewesen ist. Jede Porzellan-Manufaktur
in Deutschland hatte ihren Meister-Modelleur
: in Meißen Kandier, in Frankenthal
Konrad Link, Welheim Beyer in Ludwigsburg,
Elias Meyer in Berlin, Anton Grassi in Wien,
Johann Peter Melchior in Höchst und Frankenthal
.
Allen diesen ausgezeichneten und fruchtbaren
Künstlern aber hat der Modellmeister der kur-
bay erischenManuf aktur in Nymphenburg, Franz
Anton Bustelli, den Rang abgelaufen. Erst jedoch
die wissenschaftlichen Forschungen der
allerletzten Zeit haben diesen Künstler, dessen
Name sogar ganz verschollen war, wieder an die
Stelle gerückt, die seiner überlegenen Meisterschaft
gebührt.
Am 3.November 1754 war Bustelli als „Figurist"
in die 1747 gegründete bayerische Porzellanfabrik
eingetreten, die damals noch in dem früheren
kurfürstlichen Jagdschloß Neudeck ob der Au
betrieben wurde. Nach 8V2 jähriger ununterbrochener
Tätigkeit für die Manufaktur starb er
in Nymphenburg am 18. April 1763. Bustellis
Heimat ist die italienische Schweiz. Er ist aller
Wahrscheinlichkeit nach am 12. April 1723
Dieser Aufsatz verwertet zusammenfassend die Ergebnisse
der wissenschaftlichen Forschungen, die in meiner dreibändigen
„Geschichte der bayerischen Porzellan-Manufaktur
Nymphenburg" (Leipzig, K. W. Hiersemann 1925) niedergelegt
sind.
zu Intragna bei Locarno am Eingang des Val
Contovelli geboren. Dort steht noch sein Vaterhaus
, die Casa Bustelli, deren Balkon noch das
Adlerwappen der Familie trägt.
Jedenfalls war Bustelli, bevor er nach München
kam, schon in anderen Porzellanfabriken tätig,
da er nachweisbar auch technische Kenntnisse
in der Porzellanherstellung hatte. Man könnte
an Doccia denken oder auch an Capodimonte,
wo damals die Schwester der bayerischen Kurfürstin
, die Gemahlin des Königs Karl III. beider
Sizilien, die Gründung einer Manufaktur
angeregt hatte. Gewisse stilistische Eigentümlichkeiten
besonders im Ornament aber haben
Arbeiten des Haupt-Modelleurs von Capodimonte
, Giuseppe Gricci, mit denen des Nym-
phenburger Meisters gemeinsam. Im Figürlichen
dagegen scheint er durch die berühmte Wiener
Bildhauerschule des 18. Jahrhunderts nicht unbeeinflußt
geblieben zu sein, wie denn auch
die eigentliche Vollendung seines Stils in einer
engen Anlehnung an den ebenfalls in Wien
ausgebildeten Münchner Bildhauer Franz Ignaz
Günther endet.
Die Kleinwelt der Porzellanfiguren war Bustellis
ureigenstes Gebiet. An Reichtum der Erfindung
, Feinheit und Schwung der Modellierung
, an Lebenswärme und innerem Gehalt
übertreffen seine Schöpfungen weitaus alles, was
die Porzellanplastik der Rokokozeit überhaupt
hervorgebracht. Dabei ist seine Arbeitsleistung
erstaunlich: in den 8V2 Jahren seiner Tätigkeit
für die bayerische Manufaktur hat er nachweislich
rund 150 Figuren, darunter 6 größere Gruppen
, geschaffen. Aber auch eine große Anzahl
von Geschirren und Geräteformen, mit spielendem
Rocaillewerk überzogen, dürfen seiner Erfindungsgabe
zugeschrieben werden.
Dazu kommt noch eines: mit der durchdachten
Modellierung, die nach jeder Richtung hin dem
Material entspricht und gerecht wird, wetteifert
bei allen plastischen Arbeiten Bustellis eine feinfühlige
Bemalung, die bis ins kleinste Detail des
Kostüms oder des Gesichtsausdrucks ihre künst-
Dekorative Kunst. XXVIII, 9. — Juni 1925
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