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SCHWEIZER GEBRAUCHS-KERAMIK
Das Kunstgewerbemuseum in Zürich hat die
keramische Ausstellung, die es vor einiger
Zeit in seinen Räumen beherbergte, nicht zu
einer Schau von glasurschönen Vasen und Schalen
gemacht, sondern sie dem Gebrauchsgeschirr
gewidmet. Es ging hier in der Hauptsache
um Tassen und Teller, Schüsseln und
Töpfe, Kannen und Krüge. Jedermann hatte
für irgend etwas davon irgendwie Verwendung.
Jedenfalls bekam er hier zu sehen, was an
brauchbarem und gefälligem Geschirr gegenwärtig
zu haben ist. Er konnte es sich merken,
um bei künftigen Einkäufen einen Maßstab zu
besitzen und nicht hilflos den Legionen weißer
und bunter Gefäße aller Art gegenüberzustehen,
die sich ihm im Verkaufsladen zur Wahl anbieten
. Sein Verständnis für das Wesen des
keramischen Erzeugnisses, für dessen in Werkston0
und Erstellungsweise begründete Eigenart
wurde überdies dadurch gefördert, daß er inmitten
der Schaustellung von keramischen Materialien
und Techniken einen Töpfer an der
Drehscheibe bei der Arbeit sah und so das Werden
und Sichgestalten der Form miterlebte. Das
Interesse, das von Seiten des Publikums der Ausstellung
in allen ihren Teilen, vor allem den neuen
Erzeugnissen und der technischen Abteilung
entgegengebracht wurde, war nicht gering.
Die historische Abteilung war auf einen einzigen
Raum beschränkt und umfaßte in wenigen
aber bezeichnenden Beispielen die verschiedenen
keramischen Hauptgattungen der Vergangenheit
, soweit sich Vertreter davon beschaffen
ließen. Auch die neuzeitliche Abteilung, die
zwar mehrere Räume in Anspruch nahm, war
nicht umfangreich. Aus zwingenden Gründen:
es ist auch heute noch gar nicht möglich, an
gutem Gebrauchsgeschirr große Mengen von
Verschiedenartigem beizubringen. Das frischeste
, keckste, am entschiedensten neugeistige
Bild bot die Gruppe der Irdenware, die vornehmlich
von zürcherischen keramischen und kunstgewerblichen
Werkstätten bestritten wurde. Sie
enthielt auch zahmeres Töpfergeschirr, das sich
damit begnügt, die guten alten einheimischen
Ziermuster schlecht und recht weiter auszuwerten
. Aber es waren doch die kräftig geformten
und farbensatten Geräte neuer Erfindung,
die ihr das Gepräge gaben. Man konnte beim
Anblick all der köstlichen Töpfereien sich des
Bedauerns nicht erwehren, daß für diese Art
der Keramik die Verwendbarkeit so beschränkt
ist. Sie wird nun einmal für Tischgedecke nie
eine Rolle spielen, denn das hindern ihre Schwächen
, die Dicke der Masse und ihre Brüchigkeit.
Aber als Einzelstück und auf dem Tische des
Kmistfreundlicheii, der für die Vorzüge dieser
ausdrucksvollsten Tonware ein Auge hat, ist sie
begehrt und wohlgelitten. Ahnlich geht es der
Fayence, der Schmelzware, die neuerdings, nachdem
sie lange Zeit aus dem Bereiche des Gebrauchsgeschirres
verbannt war, darin wieder
in bescheidenem Umfange Eingang gefunden
hat. Auch sie, die manche Eigenschaften mit
der Irdenware teilt, findet ihre Verwendung
mehr als einzelnes Stück, als Dose, Schale, Vase
und dergleichen, denn für den Gebrauch beim
Tischgedeck.
Den breitesten Platz nahm als Tischgeschirr
das Steingut ein. Diese Vorzugsstellung verdankte
es zwei sehr verschiedenen Umständen.
Als wohlfeilstes Eßgeschirr, das den größten
Absatz besitzt und vom fortschrittlich gerichteten
Mittelstande gern gekauft wird, hat es
entschiedener und reichlicher als etwa das Porzellan
vom frischen Geiste der werkkünstlerischen
Bestrebungen unserer Zeit Vorteil
gezogen. Von Deutschland sowohl als auch von
Schweden sind seit einigen Jahren von Hand
bemalte Steingutwaren auf den Markt gebracht
worden, die geschmacklich einen höchst anständigen
Durchschnitt wahren, ja zum Teil dank
ihren schlicht-schönen Formen und den farbenfrohen
großzügigen Ziermustern zum Besten
gehören, was es in dieser keramischen Gattung
je gegeben hat.
Der andere Grund, warum das Steingut der
Ausstellung so viel Brauchbares liefern konnte,
liegt darin, daß es in seiner eigentlichen Fleimat,
in England, den Zusammenhang mit seinen
Ahnen der Früh- und Glanzzeit nie verlor und
daher sich Formen bewahrte, die für alle Zeiten,
zumal aber für die unsere ihre Gültigkeit behalten
. Auf neuen Ausdruck und ausgesprochenen
Gegenwartswert muß man freilich bei
diesen englischen Tonwaren verzichten, denn
sie leben ganz von der Uberlieferung.
Das Porzellan trat bei weitem nicht so reich-
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