Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 52. Band.1925
Seite: 257
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DIE KRIEGER-GEDÄCHTNISKAPELLE VON REIT IM WINKEL

Unsere Kriegsdenkmale werden in der Geschichte
der modernen Plastik nicht den
Ehrenplatz einnehmenden sienach allen Voraussetzungen
hätten gewinnen können: von dem
großen Stab geschulter Bildhauer und Architekten
, den wir gerade für solche Aufgaben
besitzen, sind nur verhältnismäßig wenige zur
Betätigung gekommen. Es ist dies um so bedauerlicher
, als schon während des Krieges und unmittelbar
hernach namhafte Künstler vielfache
Entwürfe für Kriegsdenkmale geschaffen und
der Sinn hiefür durch die Soldatenfriedhöfe im
Volk geweckt war. Damals wurde es noch allgemein
eingesehen und gefordert, daß unsere
Dankesschuld an die Dahingegangenen und ihre
Taten eine ideale Verkörperung, d. h. eine künstlerische
Form finden müsse.
So winkte eine einzigartige Gelegenheit, über
das ganze Land hin, bis in die entlegensten Orte
zu zeigen, was und wie man mit einfachen Mitteln
Bedeutsames schaffen kann — wenn man
es nur berufenen Händen anvertraut. Außerdem
war hievon eine Hebung und Vertiefung unserer
immer noch mangelhaften Friedhofspflege und
Grab malskuns t zu erhoffen; auch manch weiterer
guter Einfluß, der sich aus der unmittelbaren
Berührung des Künstlers mit dem auftraggebenden
Volk von selbst entwickelt.
Mit Bitternis muß man feststellen, daß sich nur
wenig von all dem erfüllt hat, weil die Berufenen
versagten. Nicht die Künstler, aber die maßgebenden
Stellen, denen die nötige Zivilcourage
fehlte: sie brachten für Forderungen der Kultur
und Kunst nicht den Mut und die Kraft auf, die
sie für die Durchführung polizeilicher Regelungen
mühelos zur Hand haben. Auch die Volks-
bildungs- und Heimatschutzleute, wie die Landbauämter
und Konservatorien blieben hinter
ihrer Aufgabe zurück. Es jammert einen das
Volk, das man wieder einmal im entscheidenden
Augenblick sich selbst überlassen hat; in einer
Sache, wo es Berater und Führer brauchte. So
wurde viel Geld für Unzulängliches ausgegeben,
mancher wirksame Platz erhielt nicht das passende
Mal und manches treffliche Mal nicht
die gebührende Umgebung. Selbstverständliche

Forderungen, die wir heute schon an gute Grabsteine
stellen, wie etwa eine würdige Schrift,
wurden nicht einmal durchgängig erfüllt. Man
muß dies aussprechen, um noch in letzter Stunde
das Gewissen zu wecken, wo man sich mit Kriegsdenkmalspflege
trägt.

Wie sehr es sich lohnt, einem fähigen Künstler,
der sich liebevoll in seine Aufgabe vertieft, eine
solche, auch bescheidenen Umfanges, anzuvertrauen
, zeigt die Reiter Kriegskapelle. Der Münchener
Regierungsbaumeister B runo Biehler,
der schon in einem äußerst stimmungsvollen
Soldatenfriedhof der Karpathen einen besonderen
Sinn für die landschaftliche Einstimmung
baulicher Anlagen und ihre anheimelnde Wirkung
erwiesen, bewährte sich auch hier.
Obwohl dem Architekten im Bürgermeister und
seinem Kriegskameraden Auer einsichtige und
getreue Helfer zur Seite standen, war es nicht
leicht, das Beste durchzusetzen. Zunächst galt
es, gegen die Forderung eines plastischen Werkes
, für das kein geeigneter Platz vorhanden,
die bessere und tiefere Wirkung einer Kapelle zu
erweisen. Dann mußte von fünf Möglichkeiten,
die alle ihre Vertreter fanden, dem Werke der
Platz gesichert werden, von dem aus es weithin
sichtbar zum Wahrzeichen des Tales wurde.
Es war dies ein gegen die nördlichen Felswände
zurückgezogener Hügel, in dessen Hintergrund
ein Wrildbach brausend herniedergeht. Aus dem
terrassierten Gelände energisch aufsteigend, ist
die Anlage ringsum mit dem Boden innigst verwachsen
und in ihm verankert. Wie von alters-
her ragt die Kapelle auf ihrer Höhe, kraftvoll
in sich beschlossen und doch einladend. Ob man
von Marquartstein aufsteigend plötzlich das Tal
betritt oder von den Tiroler Hängen herunterkommt
, ob man von der Waldbalm oder der
Blindau herüberschaut, immer fängt sich der
Blick an dem Kriegerkirchlein. Um so mehr
zieht es den Wanderer der näheren Umgebung
an und lockt ihn durch immer wechselnde Silhouetten
bis zum Umgehen, bis er auf schlänge-
ligem Pfade oder fügiger Treppe den bergenden
Vorhof betritt. Von Osten reckt sich der eigentliche
Bau steil empor, kräftig unterstützt von

Dekoratire Kunst. XXVIII, n. — August 1925

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