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ZU KNUT ANDERSONS PLASTISCHER AUSGESTALTUNG DES VIKTORIATHEATERS
IN PFORZHEIM
Knut Anderson, der in München lebende und
tätige schwedische Bildhauer, hat sich mit
der plastischen Ausgestaltung des von Wieder-
anders räumlich neu geschaffenen Cherubiiitheaters
in München einen Ruf als Spezialist für
ein besonderes Feld der dekorativen Plastik erworben
. Sein Sondergebiet ist das Heitere, das
der Schwere Entratende, das trotzdem und
überall künstlerisches Gewicht behält. Musik,
Grazie, Rhythmus kennzeichnen seine Art; dies
bedeutet zugleich, daß er zum dekorativen Moment
das intime zu gesellen weiß, ein Umstand,
der ihn dazu prädestiniert, solche Räume zu
schmücken, die der Geselligkeit und der heiteren
Muse geweiht sind.
Man kann dem Pforzheimer Viktoria-Theater,
das sich nach dem Vorgange des Münchner
Cherubintheaters der künstlerischen Mitarbeit
Andersons zu versichern wußte, zur Wahl seines
Künstlers Glück wünschen. Vor diese neue Aufgabe
gestellt, gelang Anderson etwas ganz Ausgezeichnetes
. Das Viktoria-Theater, das regulären
Bülmenbetrieb hat, soll in der Hauptsache
der leichteren Kunst, der Operette, dem Singspiel
, dem Schwank und Lustspiel dienen. Es
bedingt deshalb auch einen leichteren Rahmen
für seinen Theatersaal, der außer dem Parkett
eine Galerie mit Sitzplätzen aufweist. Die architektonische
Planung und Durchführung des
Baues geht auf den Architekten Josef Lorscheidt
zurück,doch hat der Bühnensaal ganz das Gesicht,
das ihm Anderson gab, der die reine Architektur
gründlich in die Kur nahm und in sie all
das Beschwingte und Reizvolle, Anmutreiche
und Vielsagende seiner Ornamentierung hineinlegte
. Anderson trat damit in bewußten Gegensatz
zu der Gestaltung der Vorräume, auch des
schweren Portals, das er selbst geschaffen. Diese
Kontrastwirkung war aber beabsichtigt, um die
Wirkung zu steigern, und im Ubergang vom
Ernst des Tages zum Spiel der Bühne den Besucher
des Hauses in eine andere, heiterere Welt
zu versetzen.
Was den Bühnensaal betrifft, war es erfreulich,
daß der Bildhauer nicht ein Ubermaß von
Motiven brachte und daß er mit. der Austeilung
seines Dekors vorsichtig war. Er überzog
nicht den ganzen Raum mit einem Netzwerk
von Schmuck, sondern betonte einige
Punkte und Partien. Das heißt: die Ornamentierung
ist nicht zu dick „instrumentiert",
aber wo sie erscheint, ist ihre Melodie stark und
nachhaltig, eindrucksvoll und originell. Die
Brüstungen der Galerien schmücken kleine
Hochreliefs mit Puttenmotiven, der Hauptakzent
aber liegt auf dem Bühnenrahmen, dessen
feine Proportionierung und Prolilierung und
reizvolle ornamentale Durchführung mit den
einfallsreichen Motiven, die rhythmisch geballt
sind, dem Künstler besonders gelungen ist. Die
Farbstimmung des Hauses nimmt natürlich auf
die Tatsache der künstlichen Beleuchtung Bedacht
: es ist ein ganz eigener Klang, dieses
Blaugrau und Silber, das festlich wirkt, ohne mit
Knalleffekten arbeiten zu müssen, die der vornehmen
Kunst Andersons nicht gemäß wären.
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