Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 52. Band.1925
Seite: 277
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DIE KUNST IM HEILIGTUM

Als cinstVilloria Colomia ihrem großen Freu Lide
iXvorhielt, daß seine Schöpfungen nicht eben
immer den Anforderungen der Religiosität konform
wären, gab ihr Michelangelo zur Antwort,
die Schönheit an sich sei fromm, also zu keinem
besonderen Ausdruck religiösen Gefühls verpflichtet
. So wundervoll dieser Ausspruch des
Jßuonarroti nun auch das religiöse mit dem
ästhetischen Lebensgebiet zu einer allüberspannenden
Harmonie zu vereinigen scheint: ein
derartiger Ausgleich bleibt doch last ausschließlich
auf den seltenen Fall des ganz großen Künstlers
beschränkt, der ein über alle Zeiten erhabenes
Schönheitsgefühl mit einer gleichfalls
allem Zeitenwandel entzogenen letzten Innerlichkeit
des religiösen Gefühls verbindet. In
concreto wird sich aber die besondere Frömmigkeit
einer jeden Zeit mit den besonderen ästhetischen
Zeitidealen immer wieder von neuem
auseinanderzusetzen haben; und vollends wird
eine nach ganz bestimmten Kriterien orientierte
Auswahl aus dem weiten Bereiche des „Schönen
" schlechthin nicht zu umgehen sein, wo
es sich darum handelt, ein gottesdienstlichen
Zwecken geweihtes Gebäude mit Werken der
bildenden Kunst auszuschmücken.
Wenn Dr. Ildefons Herwegen, der gelehrte
Abt des Klosters Maria Laach, in seinen gehaltvollen
„Gedanken über kirchliche Kunst" den
zweiten der angedeuteten Gesichtspunkte gebührend
in den Vordergrund gerückt, wenn er
es seinen Lesern recht eindringlich gemacht hat,
daß der für eine Kirche arbeitende Künstler
selbstverständlich darauf bedacht sein müsse,
sich mit seinem Werke der Gesamtharmonie
des Kulteindrucks einzufügen und den gläubigen
Kirchenbesucher in keiner Weise zu verletzen
, daß also die Kunst des Heiligtums „nicht
Selbstzweck, sondern Zweckkunst" sei, so ist er
damit durchaus im Recht. Ebenso wird man,
wenn er das ästhetisierendeHerumgeschmäckeln
mancher Künstler an äußeren Details der Kultübung
nicht als genügenden Befähigungsnachweis
für spezifisch kirchliche Kunstarbeit anerkennen
will und von dem berufenen Kirchenkünstler
auch noch mehr als „bloße religiöse
Anlage oder mystische Begeisterung", wenn er
von ihm geradezu eine Begnadigung mit dem
besonderen „Gebetgeist der Kirche" fordert,

zugeben müssen, daß hier ein kirchlicher Würdenträger
die Sachlage von seinem Standpunkt
aus völlig logisch beurteilt.

Schade nur, daß Dr. Herwegen sich in seiner
schönen Untersuchung nicht auch von der
ersten der oben aufgestellten Erwägungen in
einem Ausmaße leiten ließ, das ihn verhindert
hätte, die Allgemeingültigkeit der von ihm
herausgearbeiteten Kriterien durch allzustarkes
Einslrömenlassen subjektiver und ephemerer
Momente künstlich einzuengen! Man mag über
den Historismus schelten, so viel man will: er
gibt uns denn doch Möglichkeiten von objektiv-
allgemeiner Erkenntnis an die Hand, die früheren
Zeiten nicht offen standen. Wir wissen
heute z. B., vor allem durch Weisbach, daß
auch das italienische Barock seine Theorien über
religiöse Kunst hatte, denen damals ein Großteil
der kirchlichen Kunstübung in der Tat nachlebte
, durchglüht und durchpulst von religiösen
Gefühlen, in denen sicherlich, wenn irgendwann
überhaupt, der spezifische Gebetsgeist der Kirche
lohte. Und doch wird Herwegen, der Schmerz,
Häßlichkeit und Naturalismus aus den Kirchen
prinzipiell verbannt sehen möchte, kaum umhin
können, eine Unzahl von Barockbildern für
heiligtumsunwürdig zu erklären, trotzdem sie
sicherlich von kirchentreuen Männern voll katholischen
Gebetsgeistes geschaffen worden sind.
Wnd er diese Konsequenz ziehen, wird er erklären
wollen, daß er nur gerade unsere Zeit
mit dem wahren Gebetsgeist begnadigt erachte?
Ich glaube es nicht, und ebensowenig glaube ich,
daß der Abt eines in der mittelalterlichen Kunstgeschichte
hochberühmten Klosters der Gotik,
die er nun gar expressis verbis (als „subjek-
tivistisch" und „naturalistisch") ablehnt, die
Tiefe echter Religiosität abzustreiten gewillt
sein sollte. Ganz abgesehen davon, daß von
unseren künstlerisch irgendwie bedeutsamen
Kirchen die ungeheure Mehrzahl nun einmal
gerade gotische oder barocke Innenräume aufweist
und eine strikte Durchführung sämtlicher
vonDr.Herwegen formulierten Ausschließungskriterien
es also oft nachgerade unmöglich
machen müßte, jene harmonische Einheit von
Gesamtraum und Einzelkunstwerk zu wahren,
die doch sicher dem gläubigen Kirchenbesucher
am besten die Stimmung zu vertiefter Andacht

VI


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