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JOHANNES DEIKER
BLICK AUS DEM ATELIER AUF DEN SCHLOSSHOF IN BRAUNFELS
dele: „Man hat allerwärts Hunger und Verlangen
nach diesen Heften. Jeder, der das
MorgenbJatt gelesen, meint, es müsse erschienen
sein. In Darmstadt hat der Buchhändler
sich vor der Ungeduld und den Vorwürfen
seiner Mitbürger kaum zu retten gewußt, bis er
von uns erfahren, daß wir selbst noch kein Exemplar
von Ihnen erhalten haben", da machte
ihn das ganz glücklich. Denn die Selbstanzeige
faßte in der knappsten Form alles Hoffen zusammen
, mit dem er an seine Arbeit herangegangen
war. Er sagte dort, daß ihm die Rhein-
und Maingegenden ein Bild des ganzen Deutschlands
gewesen seien, da sie ja übersäet seien
von „größeren und kleineren Lichtpunkten";
und daß ihm der Wunsch entstanden sei, daß
jeder Ort sich als ein rechtes kulturelles Individuum
auswachse und daß doch alle untereinander
nach einem innigen Zusammenhang
trachten möchten. Er fühlte, daß eine gewisse
Eigenbrö telei dem deutschen Wesen entspreche
und daß es nicht richtig sei, die berechtigten
Eigentümlichkeiten der verschiedenen Stämme
und Landschaften durch eine rücksichtslose
Zentralisation zu erdrosseln, man müsse vielmehr
suchen, „alle Unterschiede, ja Gegensätze
herauszuheben, welche zusammen erst den Begriff
von einem vollständigen Deutschtum zu
erwecken imstande sind".
W"ir wollen in diesem Zusammenhang nicht
fragen, ob die Hoffnungen, die Goethe auf seine
„patriotischen Feuerchen" setzte, sich verwirklichten
. So viel ist sicher, daß sie für den einen
und den anderen der Zeitgenossen etwas geheimnisvoll
in die Zukunft Weisendes hatten,
und daß es sich verlohnt, in unseren argen
Zeiten sich wieder einmal in die Grundgedanken
jener Goetheschen Überlegungen zu vertiefen,
die aus der Not einer verwandten Zeit geboren,
von einer Schlichtheit und einer Uberzeugungskraft
sind, daß man es versteht, wenn Sulpiz
Boisseree die in dieser Abhandlung niedergelegten
Maximen mit der Solonischen Verfassung
vergleicht und schreibt: „Sie geben, ein anderer
Solon, den Deutschen in diesem Fache eine
Verfassung, die sie im politischen vergebens
wünschten", ja sogar meint: „vielleicht tragen
Sie dazu bei, die edlen Landsleute durch diese
Verfassung über die Mängel der politischen zu
trösten". München, Th eodor Volbehr
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