Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 53. Band.1926
Seite: 13
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JOSEF ENSELING

LIEGENDE (BRONZE)

ZU DEN ARBEITEN VON JOSEF ENSELING

Das ureigene Wesen der Plastik zu fassen ist
vielleicht schwieriger als das irgendeiner
anderen Kunst. Die Plastik ist in dem ihr zur
Verfügung stehenden Ausdrucksmaterial insofern
beschränkter und konzentrierter zugleich,
als ihr nur der menschliche — auf einem Sondergebiet
auch der tierische — Körper zur
künstlerischen Formung aufgegeben ist. Sie hat,
besonders wenn man von der „angewandten"
Bau-, Dekorationsplastik, „Skulptur", Kunstgewerbe
usw. absieht, nicht das weite Feld der
malerischen Auslebungsmöglichkeiten, sie hat
nicht den ganzen deskriptiven Darstellungsreichtum
des Gemäldes, sie hat vor allem nicht
die — im Vergleich zu ihr — ungeheure Freiheit
der Architektur, die so oft zur Oberflächlichkeit
, aber auch zum Kompromiß verleitet;
die Zweckerfüllung eines architektonischen Pro ]
gramms ist viel undisziplinierter als die „Zweckerfüllung
" einer plastischen Körperformung.
Die Plastik ist ungleich eindeutiger, und ihr
Urbild in der Natur, nämlich die in der Geschichte
der Zeiten verhältnismäßig wenig sich ändernde
Norm der menschlichen Figur, ist und bleibt
das ewig gültige Phantom. Im Einklang mit
dieser mehr äußerlichen Beschränktheit fordert
die Plastik hohe seelische innere Disziplin,
starke Konzentration, Feinheit der Nuancen und
Effekte: sie ist in dieser Hinsicht die mimosenhafteste
aller Künste. Wer Gelegenheit hatte,
das Werden eines plastischen Werkes in der
Werkstatt des Künstlers ständig mitzuerleben,
wird — viel überzeugender als es mit Worten
geschehen kann — auf dieses Geheimnis des
spezifisch „Plastischen" stoßen und immer wieder
von seiner undurchdringlichen Problematik
überrascht werden. W^rum wird die
„Form" oft schon in einem anfänglichen Stadium
, wo der Künstler nur die Natur sucht, so
unnachahmlich eigenartig; während die Farbe
hier nur in einem sehr beschränkten Maße als
künstlerisches Ausdrucksmittel zu Gebote steht,
während das Material an sich gegenüber der
menschlichen Haut ziemlich leblos ist. Was
arbeitet in dem Schaffenden als selbstgesetzgeberische
Kraft — vielleicht unbewußt vom
Willen der formenden Hand ? Das Ziel ist hier
viel weniger zu umschreiben und in eine Formel
zu bringen als in den Schwesterkünsten Malerei
und Architektur, wo leichter eine Theorie, ein
System der ästhetischen Inhalte zu formulieren
sind. Bei den Bildhauern selbst findet man darüber
kaum einen Aufschluß und ihre Äußerungen
umgehen das Problem oder stehen mit
ihrem tatsächlichen Schaffen im Widerspruch.
Hildebrand, der in seinem ursprünglichen, seelischen
Empfinden durchaus plastisch orientiert
war, stellte sich in der Auslegung seines Werkes
flächenhaft-reliefartig ein, und sein Buch „Das
Problem der Form" ist, soweit es das Wesen
der Plastik zum Unterschied von Malerei und
Architektur berührt, mit dem Grundempfinden
des Malers im Sinne des Flächenkünstlers geschrieben
. Anders bei Rodin! Es mag hier ein
Satz ausRodins „Nachlaß" angeführt werden, der
zeigt, daß Rodin als Theoretiker der Plastik —
nicht als produktiver Künstler! -— mehr räumlich
gedacht hat (ähnlich wie Hildebrand mehr
flächenhaft). Er lautet: „Wenn ihr modelliert,
denkt niemals in Oberflächen, sondern in
Räumen." In anderen Sätzen Rodins spricht
sich allerdings wieder rein plastisches Empfinden

1.3


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