Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 53. Band.1926
Seite: 52
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ist trotz eifrigen Suchens verschollen und blieb
verschollen. Fertig gewesen sein muß es indessen
, denn in einem Briefe an seinen Bruder
schreibt Leibi, das Bild sei so gut wie vollendet,
er müsse jetzt nur noch einen Rahmen besorgen
. Man wird sich dieses Gemälde also ähnlich
im Stil vorstellen dürfen wie das vorliegende
Mädchenporträt.

Leibi hatte Sinn für französische Eleganz. Man
weiß es aus Briefen seines Bruders, der dies
ausdrücklich betont und vermutete, vielleicht
würde der Künstler sich in Paris niederlassen
und ganz dort bleiben. Wer so liebevoll eingeht
auf Kostbarkeiten weiblicher Toiletten
wie Leibi in dem Hut der Frau Gedon und der
Tracht seiner Nichte, kann sich sehr leicht auch
an dem Kapriziösen dieses bunten Phantasie-
Hutes künstlerisch begeistert haben. —
Daß die Leinwand dieses Gemäldes nicht
französische, sondern Münchner I,einwand
ist, spricht nicht gegen die Annahme der
Pariser Entstehung. Ein Künstler, der wie
Leibi in allen Fragen des Handwerks stets sehr
penibel war, wird auch an fremdem Orte zunächst
mit dem gewohnten Material arbeiten.
Leibi war nach Paris eingeladen worden von
Madame de Laux, um ihr Bildnis zu malen,
und diesen Auftrag verdankte er der Begeisterung
, die Madame de Laux für das Bildnis der
Frau Gedon empfunden hatte. Wenn Leibi
nach Paris ging, um Porträts so oder ähnlich
so zu malen, wie er Frau Gedon gemalt hatte,
war es nur natürlich, daß er die ihm geläufigen
Materialien mitnahm. —

Jedenfalls ist das gemalte Oeuvre Wilhelm Leibis
durch dieses herrliche Frauenbildnis um ein
Meisterwerk seines Pariser Stiles bereichert.
Daß dieses Bild nun im Katalog der Jahrhundert-
Ausstellung mit einem Fragezeichen versehen
ward, beweist heute nichts gegen die Echtheit.
Man kannte Leibi damals (1906) nicht mehr
genau und kannte seine Pariser Zeit noch nicht
gründlich; aber auch das Kniebild der Nichte
Lina war nicht bekannt, ebenso wie das Bildnis
der Frau Gedon, das erst 1912 aus Paris kam. —
Anderseits hingen zwei gefälschte Leibi-Zeichnungen
, auf Photographien gepauste Zeichnungen
nach Gemälden (Maler Paulsen und zwei
Köpfe aus dem Wrldschützenbilde), unangefochten
zwischen den echten Zeichnungen.

Emil Waldmann

EIN BRIEF VON LEIBLS MUTTER

Uber den Pariser Aufenthalt Wilhelm Leibis
schrieb dessen Mutter am 25. Dezember
1869 an ihre Tochter: „Meinem Versprechen,
sobald ich über Wilhelms Verhältnisse erführe,
mitzuteilen, will ich doch nachkommen. Durch
Ferdinand, der, wie wir vermuteten, ihn nach
Paris begleitete, haben wir erfahren, daß es
Wilhelm dort sehr gut geht. Er befindet sich
in einer äußerst vornehmen Familie, wo ihm
ein ganz herrliches Atelier zur Verfügung steht.
Durch seine vorzüglichen Leistungen steht er
bei dieser Familie sowie bei den ersten Künstlern
von Paris in großer Achtung. Sodann ist
Paris ein besonders guter Boden für tüchtige
Künstler, indem es dort eine Menge von Kunstmäzenen
gibt, welche hervorragende Leistungen
auch entsprechend bezahlen, abgesehen von anderen
, den Kunst förderlichen Eigenschaften,
welche die Stadt an und für sich besitzt. Wilhelm
wohnt in Gemeinschaft mit Herrn Steinhardt
, einem der tüchtigsten Maler in Paris, der
ebenfalls ein herrliches Atelier besitzt, avenue
montagne 37 c quartier des champs Elysees,
elegantester, nobelster Teil von Paris, wo nur
die feine Welt verkehrt, in unmittelbarster Nähe
der rue Goujon, in welcher Madame de Laux,
die er malt, ihr Hotel besitzt. Dieses letztere ist
äußerst elegant eingerichtet, indem es in allen
Teilen mit orientalischen Möbeln und Luxusartikeln
ausgestattet ist. Wilhelm arbeitet von
V2 10 Uhr morgens bis 5V2 Uhr nachmittags.
Um n Uhr ist Dejeuner bei Frau Laux, nachmittags
6 Uhr Diner in der gemeinschaftlichen
Wohnung des Herrn Steinhardt, letztere ebenfalls
komfortabel eingerichtet. Haushaltung und
Diner besorgt ein auf gemeinschaftliche Kosten
gehaltener Domestique, mit dem Y\ ilhelm sehr
zufrieden ist. Nach dem Diner hält Herr Steinhardt
, ein ausgezeichneter Klavierspieler, Klaviervorträge
, zuweilen finden in dessen Woh-
nung musikalische Soireen statt. Viermal hat
Wilhelm wöchentlich französischen Unterricht
und er weiß sich jetzt schon hinreichend in der
Landessprache auszudrücken. Diese Sprache
scheint ihm zu gefallen, wie überhaupt die
feinere französische Lebensart ihm mehr zusagt
. So steht zu erwarten, daß er Paris vielleicht
nie verläßt. — So die Wiedergabe von Ferdinands
Schreiben. Wollen wir das Beste hoffen."

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