http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_53_1926/0088
Übergang statt, um sich bis zur „Müden Frau"
und den „Schlafenden Frauen" (1918) ins Geistige
zu steigern. Klar tritt es dann in schöner
Reihe hervor von den „Müttern" bis zum „Leidenden
Mädchen" (1925). Hier findet Geahntes,
kaum Faßbares in Farbe und Bewegung fast unheimlichen
Ausdruck.
So sehen wir in Schwalbachs Schaffen heute
weder Akte noch allgemein menschliche Gestalten
, weder S}anbole oder Allegorien, wir
sehen formgewordene Vorstellungen aus Größe,
Weite und Tiefe des seelischen Erlebens, Synthese
von Körper und Seele. Wohl schien er
vorübergehend befangen in seiner metaphysischen
Welt, in der sanften Mollmodulation seines
Entrücktseins, aber gerade die allerletzten
Schöpfungen des Jahres 1925 zeigen, wie der
Maler mit der Idee kämpft, um sich in weiser
Beschränkung in den Mitteln zu innerer und
damit auch zu äußerer Klarheit durchzuringen.
Zu dieser Beschränkung gehört auch die Farbenökonomie
wie die verhaltene Ruhein der äußeren
Bewegung, die den Werken die Konturen der
Vollendung geben.
Carl Sch wa I bach ist eine Einzelerscheinung. Stets
hat er sein Ziel verfolgt, ohne nach rechts noch
nach links zu schauen, und heute, wo sich die
Begriffe aufs neue zu wandeln beginnen, scheint
ihm diese Wandelung recht zu geben. Als ich
einmal diese Frage berührte, meinte er: „Mit
der Richtung ist es wie mit einer Zwiebel. Zieht
man die eine Haut ab, liegt schon eine andere
darunter, und bei näherer Betrachtung muß man
weinen." Offenen Auges für die Spiegelungen
unserer Umwelt, offenen Ohrs für die feinsten,
fernsten Klänge alles Naturhaften, ringt er mit
der Materie, um sie seiner Ideenwelt dienstbar
zu machen. „Die Sorgenvollen" (1925), ein Werk
von subtilstem Klang, bildet einen Höhepunkt
in der technischen und geistigen Entwicklung
des Malers. Dieser aber ist noch nicht fertig,
weil er es nie sein kann in der unerhörten Größe
mid Weite dessen, was wir als unsere Erscheinungswelt
erfassen können. Dr. Eduard Scharrer
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