Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 53. Band.1926
Seite: 90
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_53_1926/0122
ZUR WACHSPLASTIK VON LOTHAR SCHWINK

Lothar Schwink, heute ein Mann nahe den
j Vierzigern, ist von Haus aus Innenarchitekt.
Der jung ererbte Resitz der väterlichen Möbelfabrik
in Ramberg drängte ihn nach dieser Richtung
. Rei Richard Rerndl in München lernte er,
bei Schnitze-Naumburg in Saaleck bildete er
sich weiter. Aber die Rindung an die fabrikmäßige
Möbelherstellung mißbehagte ihm, er
machte sich frei, ohne die tieferen Werte der
Vorbildung preiszugeben, und „betreibt" heute
ein Doppeltes: Kunsthandwerk und eine ihm
über alles zusagende Kunst. Immer noch entstehen
solchermaßen Entwürfe für Möbel und
Innenausstattungen, aber daneben geht Schwinks
Schaffen als Plastiker einher. „Daneben" —
nein, so stimmt es doch nicht. Denn das plastische
Schaffen Schwinks ist kein „parergon",
sondern es ist ein in sich ruhendes, geschlossenes
Ganzes, dem viel eher die kunsthandwerkliche
Tätigkeit als dienendes Glied eingeordnet ist.
Als Schwink noch bei Rerndl in München
Architektur und Innenarchitektur studierte,
empfand er, daß damit sein künstlerischer Drang
nicht völliges Genügen erfahren könne. Er ging
deshalb zu Franz Hoch, dem LandschaflsmaJer,
den der Krieg fällte, und ihm verdankt er es, daß
er in seinen künstlerischen Idealen bestärkt und
befestigt wurde. Draußen im Felde begann
Schwink autodidaktisch sein plastisches Arbeiten
. Er geriet an das köstliche, heute eigentlich
nur selten mehr verwandte Material des
W7achses, das einst zumal in Tirol und in Altbayern
ein oft und gern gebrauchter Stoff
plastischer Ausformung war. Namentlich bei
Gegenständen religiösen Charakters bediente
man sich gern des Wachses, dem als Material
etwas Fleiligmäßiges anhängt, vielleicht weil
auch die Devotionalien und die geweihten Altarkerzen
aus diesem Stoffe gebildet sind. Erst nahm
er das übliche weiße Wachs, das, nach erfolgter
Ausformung, von ihm farbig gefaßt wurde.
Aber Schwink erreichte damit die gewünschte
Wirkung nicht. Er mußte deshalb zu einer
andern Technik vorschreiten, er bediente sich
nämlich fortan des „vor aller plastischen Re-
arbeitung völlig durchgefärbten Wachses". Dieses
gab ihm — nach Sedlmaier, dessen liebevoller
Charakteristik des Künstlers ich hier folge, —

was er erstrebte: durchs Licht abgestufte reine
Tonwerte bis zu klarleuchtenden Schatten.
Die über das Technische hinausgehende geistige
und seelische Einstellung zu seiner Kunst erfuhr
Schwink weder durch Hoch noch durch
Joseph Wackerle, bei dem er im Jahre 1919
kurze Zeit arbeitete — schnitzte —, um sich
in seiner plastischen Technik zu vervollkommnen
. Viel stärkeren Einfluß hatte eine künstlerische
Reise durch Tirol geübt, dessen spätbarocke
Kunst ihm starke Anregungen gegeben
und sein eigenes Schaffen nach der Richtung
des Religiösen, der Krippenkunst und Märtyrerdarstellung
hingeleitet hatte, zu denen sich gelegentlich
ein profanes Motiv gesellte.
Seit Lothar Schwink in Erling bei Andechs,
hoch über dem Ammersee und dem kunstreichen
Ammergau, in dem blumengeschmückten
Dorf am Fuße des „heiligen Rerges" sich
niedergelassen und angesiedelt hat, ist auch die
richtige Umwelt und Arbeitsatmosphäre für
ihn gefunden. Hier blüht eine erlesen schöne
altbayerische Landschaft mit herrlichen Exemplaren
seltener, prachtvoller Räume und der
fernblauenden Alpenkelte als Grenzwall im
Süden auf, und hier zieht zur guten Sommerszeit
von weither aus altbayerischem Land wallfahrend
Volk psalmodierend zu der berühmten,
an absonderlichen Reliquien und Sagen und
Legendenreichen Kirche hinauf. Reides schwebt
und webt in Schwinks Kunst: die herrliche
Landschaft und die tiefe, dabei doch volkstümlich
heitere Religiosität, die über ihr zittert.
Diese Stimmung lebt sich aus in den Schöpfungen
des Künstlers: in Kruzifixen und Schmerzensmännern
, in Märt3?rergestalten und in eigenartig
melancholischen Gebilden weltlichen
Gegenstands, vor allem in seinen unvergleichlichen
Krippendarstellungen, in denen das
bäuerliche Rarock der Alpenländer zu seiner
höchsten Ausdrucksmöglichkeit und zu seiner
letzten Entwicklungsstufe, auf Geist und Wesen
unserer Zeit projiziert, gesteigert ist und die
technische Vollendung in der Handhabung des
Materials auf einer Höhe angelangt ist, die
einen an Mozarts spielerische und zugleich ausdrucksgewaltige
Meisterung seines technischen
Rüstzeuges gemahnen könnte. Wolf




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