Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 53. Band.1926
Seite: 122
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_53_1926/0160
Zur Unterscheidung einer antiken von einer
modernen Glyplik ist auch die Kenntnis der
Arbeiten aus der Zeit der Renaissance und der
neueren Zeit notwendig. Das wenige, das in
Byzanz im Anschluß an die spätrömische Gly-
ptik entstanden ist, beschäftigt sich fast ausschließlich
mit christlichen Darstellungen. Der
Verwendung als Schmuckstücke an kirchlichen
Geräten entsprechend, wurde besonders der
Kameo gepflegt. Die Farbschichten des Bandachats
wurden zur Belebung des Reliefs mit
Vorliebe ausgenützt. Die Prachtsiegel mit altchristlichen
Darstellungen — meist in Achat
geschnitten — vermitteln der Renaissance we-
niger die Kunst der antiken Glyptik als den
Gebrauch des Siegels.

In der Zeit des Wiedererwachens der Antike
in Italien legte man am päpstlichen Hofe, an
den Höfen der mächtigen Mediceer und anderer
Fürsten Sammlungen von Objekten antiker
Glyptik an. Von diesen hohen Gönnern wurden
Künstler beauftragt, nach dem Vorbild der
Antike vertieft und erhaben in Stein zu schneiden
. Neben der Befriedigung der Sammler dienten
diese kleinplastischen Arbeiten auch kunstgewerblichen
Zwecken. Hauptsächlich Kameen
pflegte man als Anhänger an Halsketten oder
als Appliken zu verwenden. Die Stoffe wurden
häufig dem Altertum entnommen, aber in einem
dem Kunstgeist der Renaissance entsprechenden
freien Stil verarbeitet. Es handelt sich in diesen
Werken also keinesfalls um sklavische Kopien
antiker Vorbilder, die geeignet gewesen wären,
den Sammlern Originale aus dem Altertum vorzutäuschen
: der Renaissancekünstler bewahrt
immer so viel Eigenart, die ihn von der Antike
unterscheidet, daß man seine Wrerke unschwer
als Arbeiten der Renaissance erkennt. Eine
Reihe von Künstlern, die in der Geschichte der
italienischen Renaissancemedaille genannt werden
, haben sich auch mit der Steinschneidekunst
beschäftigt, es sind dies neben anderen besonders
der für Lorenzo de' Medici in Florenz arbeitende
Giovanni delle Corniole, Giovanni Bernardi di
Castel-Bolognese, der für Herzog Alfonso von
Ferrara und die Kardinäle Ippolito de' Medici
und Alessandro Farnese tätig war, und ferner
Valerio Belli, der nach graphischen Vorbildern
gleichzeitiger großer Meister und nach antiken
Münzbildern eine außerordentlich fruchtbare
Tätigkeit im Steinschneiden entwickelte. An
seinen Hof hatte der kunsteifrige König Franz I.
von Frankreich den Veroneser Künstler Matteo

dal Nassaro gezogen, dessen in Stahl und Stein
geschnittene Arbeiten auch von dem eigensüchtigen
Benvenuto Cellini gerühmt wurden und
der auf die weitere Entwicklung der französischen
Stempelschneidekunst und Glyptik von
nachhalligem Einfluß blieb.
Von den ins 17. Jahrhundert reichenden Ausläufern
der Renaissanse-Glyptik sind als vereinzelte
hervorragende Erscheinungen am Wiener
und bayerischen Hofe zur Zeit des Kurfürsten
Maximilian I. tätige Künstler, die sich vornehmlich
mit Porträts befaßten, zu nennen. Im
übrigen jedoch bedeutete das 17. Jahrhundert
ebenso wie für die Medaillenkunst auch für die
Gfyptik einen Niedergang und Tiefstand, was
wohl in dem schwindenden Bedürfnisse nach
geschnittenen Steinen begründet war.
Im 18. Jahrhundert setzt eine zweite große Blüte
in der Steinschneidekunst ein, die bald die Formen
der Renaissance und des Barock abstreift
und sich bemüht, in das W esen der Antike einzudringen
und ihren Stil nachzuahmen. In
dieser klassizistischen Richtung ist neben der
Antike auch die zeitgenössische Kunst — vor
allem Thorwaldsen — vorbildlich gewesen.
Künstler wie Lorenz Natter und Johann und
Ludwig Pichler schufen einerseits in ihren Steinschnitten
zeitgemäße Kunst und kamen andrerseits
den antiken Vorbildern so nahe, daß ihre
Arbeiten in manchen Fällen schwer von den
Originalen des Altertums zu unterscheiden sind.
Goethe spricht einmal sehr treffend von der
Beurteilung dieser antikisierenden Arbeiten:
„Worauf beruht der Beweis (bei zweifelhaften
Gemmen) anders als auf einem inneren Gefühl,
begünstigt durch ein geübtes Auge, das gewisse
Kennzeichen gewahr zu werden vermag, auf
geprüfter Wahrscheinlichkeit historischer Forderungen
und auf gar manchem anderen, wodurch
wir, alles zusammengenommen, uns doch
nur selbst,nicht aber einen anderen überzeugen."
Seit der Mittedes 19. Jahrhunderts trat ein rapider
Niedergang der Glyptik ein; erst in den beiden
letzten Dezennien scheint die Steinschneidekunst
im Gefolge derW iederbelebung der Medaille eifriger
gepflegt zu werden. Den Steinschleifereien
zu Idar und Oberstein, die durch die Bearbeitung
des in dieser Gegend vorkommenden Achats bekannt
sind, wurden Fachschulen angegliedert, in
denen junge Leute zu Meistern der Technik des
Steinschneidens herangebildet wurden. Leider
aber sind von ihnen nur wenige Künstler im
eigentlichen Sinne des Wortes geworden, sie be-

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