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OSKAR KOKOSCHKA LOT UND SEINE TÖCHTER. 1923
vielleicht mehr noch gespürt, mit den Nerven die barocken Künste dienten ihr. Aber wie merk-
empfunden,a]smitden Augen gesehen. Einerlei: würdig: was hatte dies zu besagen, wenn dicht
seine Kunst ist unter den Auspizien des Barocks daneben der unvergleichliche Charme des Ba-
gewachsen. Er selbst, seine Malerei ist das Ba- rocks stand? War es nicht von einer verruchten
rocke unserer Zeit. (Auch darin ein Vollzug Liebenswürdigkeit? War es nicht ein Paradies
der Kunst, die Corinth heißt.) Seine Malerei geht der Simie und des Geistes so sehr, daß es un-
aus dem Geist des Barocks hervor. Nicht daß möglich wurde, Geist und Sinne überhaupt noch
seine Malerei der des Greco, des Tintoretto in zu unterscheiden? Bernini modellierte die hei-
irgendeinem buchstäblichen Sinne ähnlich wäre. lige Therese der Santa Maria della Vit torin.
Dennoch lebt man in einer Luft, die der jener Wem von den gestrengen Kardinälen wäre es
Alten ähnlich ist. eingefallen, in diesem libidinösesten Werk, das
Es wird gesagt: er sei das Barock unserer Zeit, je geschaffen wurde, einen Skandal zu entdecken?
Unserer Zeit. Damit ist jeder Vorbehalt ge- Die unerhörteste aller reizenden Verführungen
geben. Das Barock war wohl der Stil der Gegen- siegte endlich und allenthalben über den Geist
reformation; wohl hatte es die Inquisition, und der spanischen Glaubensgerichte. Der Charme
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