Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 53. Band.1926
Seite: 158
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OSKAR KOKOSCHKA

DAME IN BLAU

in seltenem Maß); aber man wird dennoch nicht
leicht sagen, das österreichische Temperament
seimetaphj sisch. Es ist eben barock: eine schöne,
bezaubernde Gleichung des Sinnlichen mit dem
Übersinnlichen. Das Metaphysische aber ist
deutsch. Es geschah, daß Kokoschka in solchem
Sinne deutsche Einflüsse empfing. Er nahm das
Chimärische als einen metaphysischen Zwang in
in seine Kunst hinein. Er nahm es aus dem deutschen
Wesen. Empfindlich wie er ist, ein Mensch
mit den zartesten Leitungen, unterlag er diesem
Einfluß. Er nahm jenes Chimärische, jenes Nordisch
-Panische gar in einer Form an, die ihm
eigentlich besonders entgegengesetzt sein mußte:
er ertrug, er umarmte die schier skandinavisch-
heidnische Malerei Noldes. Nun: immerhin
waren hinter den Verführungen des Barocks die
Folterkammern jener S23anier, die Westgoten
und Sarazenen sind. Immerhin war hinter dem
Charme des Barocks das Furchtbare, das Schrek-
kenerregende; hinter den rosigen und goldenen
Attrappen konnten die Schauer des Jahrmarkts
warten — als das Eigentliche. Es war also am
Ende gar nicht so weit aus dem Barock in den
— Expressionismus. Am wenigsten in Deutschland
, wo es nie den Avers ohne den Revers gegeben
hat, nie die Form ohne den Riß, nie die
Freude ohne den Schrecken, nie die Antike ohne

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den Barbaren.....oder selten, selten. Die Verbindung
war zu schlagen. Sie schlug sich selbst.
Und das Barock Kokoschkas tat dar, daß es mit
den sündigen Schrecken des Gotischen und den
heidnischen Chimären des Romanischen in den
untersten Tiefen noch verwandt war. Berufung
auf das Gotische war in den seichteren Gewässern
des mittleren Expressionismus natürlich ein
affektiertes Spiel: Versuch, eine Legitimation
zu finden, ein Alibi darzutun. Bei Kokoschka
wurde die Berufung nie ausgesprochen, aber ihr
Inhalt war da.

So schlang sich eins ins andere. Aber dies ist
nicht alles.

Man kann nicht aufhören, von Kokoschka zu
sprechen, ohne dies ausdrücklich gesagt zu haben:
wunderbar vollzieht sich diese Malerei mit ihren
Schönheiten, ihren Schauern und Schrecken in
der imaginären Höhe des Dichterischen; auf
jener Höhe, wo die erfinderische Willkür erlaubt
ist, auf jener Höhe wo die unheimlichsten Wirklichkeiten
(die der Seele) doch nur als Phantasma-
gorien zu erscheinen brauchen — wenn man so
will. Alle Linien dieser empfindlichen, impres-
sionablen und endlich, hinter der Zone der Nerven
, nämlich in der des Verhängnisses, doch
merkwürdig festen, ja mehr als persönlichen
Künstlerschaft finden einander in dieser Höhe


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