http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_53_1926/0216
BEPPO STEINMETZ
DAME MIT SCHLEIER
Das unermeßliche Material hat der Verfasser gut
übersichtlich verarbeitet. Der Text ist anregend,
geistreich, bisweilen etwas zu geistreich pointiert
und immer von einer rein intellektuellen, deshalb
selten wärmeren Einstellung heraus geschrieben
. Man wird ihn, besonders im mittleren
Teil, natürlich auch hier unter gewissen persönlichen
Vorbehalten, mit einiger Zustimmung,
jedenfalls mit mannigfacher Belehrung lesen.
Man wird ihm aber auch in vielen Teilen mit
kühler Reserve, wenn nicht mit offenem Widerspruch
begegnen. Man wird dabei die vom Verfasser
des öfteren, auch polemisch, gestreifte Frage
aufwerfen, ob es überhaupt geboten und zulässig
ist, eine Kunstgeschichte der zeitgenössischen
Kunst zu schreiben. Und wenn der Verfasser
meint, „eine Geschichte der Malerei des ig. Jahrhunderts
in Deutschland sei bis zu einem gewissen
Grade (!) eine Geschichte der malerischen Unzulänglichkeiten
", so ist man schon versucht, das
Buch aus der Hand zu legen. Aber die Klassifizierung
des Klassizismus nach neuen Gesichtspunkten
, die Analyse mancher Werke, wie z. B.
die der Bildnisse Bunges, wie die des Gesamtwerkes
Leibis ist gut und versöhnt einigermaßen
mit vielen an deren, reichlich subj ekti ven U rt eilen.
Andere Abschnitte lesen sich flüssig, wie spannende
Sitten- und Kulturgeschichte, gebärden
sich aber des öfteren ein wenig überheblich. Daß
wieder einmal München verhältnismäßig kurz,
oft nur nebenbei, dabei wegkommt, daß uns
insbesondere das Zeitalter Ludwigs I. in seiner
Bedeutung nicht erkannt erscheint, ist nach
allem Angedeuteten kaum noch überraschend.
Das Kapitel „Münchens Malerei" müßte auch
hier von einem unbefangeneren Standpunkt aus
und weit umfassender geschrieben werden!
N.
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