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ALFRED PARTIKEL
Sammlung Weber, Berlin
BAUERNMÄDCHEN
Welt ist. Er geht seinen kleinen ewigen Beschäftigungen
nach, winzig, ausgestoßen und
machtlos, — eine Figurine im All.
Das sind die Menschen Partikels. Ob eine Frau
wie ein aufgerichteter kleiner flackernder Schatten
Wäsche zum Trocknen hängt (Abb. S. 17 1),
ob drei schemenhafte Fischergestalten in einem
dunklen Boot über das Meer fahren oder ob zwei
Schnitter in der Ferne das Korn mähen, sie alle
sind nur Figuren, zarte Kontrapunkte zur Natur.
Und sie bleiben es, auch wenn sie in den Vordergrund
des Bildes treten wie die beiden
Schlittschuhläufer (Abb. geg. S. 169). Sie besitzen
wenig Eigenleben, ihre Seele ist ohne Bedeutung
, es sind zwei durch die innere eigene
Mechanik interessante Lebewesen auf der Erdrinde
, — aber letzthin doch Figurinen wie auf
einem Entwurf für eine Saccharoffsche Pantomime
.
Das Schwergewicht von Partikels Malerei liegt
bis heute in der Landschaft. Meist ist die Bildfläche
in Streifen gegliedert, Schichten, die übereinander
lagern bis zu dem schmalen oder breiten
Himmelsband. Deutlich sieht man Vorder-,
Mittel- und Hintergrund, ersterer zuweilen
stark markiert durch einen Baum oder eine
Stange, die das Bild am Rande durchschneiden.
Und doch verzichten diese Bilder meist auf die
Illusion der Tiefe. Der Raum ist in der zweidimensionalen
Fläche aufgegangen. Die horizontale
Gliederung gibt den Bildern Partikels
einen Zug lastender Schwere und zugleich ausgedehnter
Weite. Im „Winterdorf"(Abb. S. 173)
läuft der Blick von dem zart angedeuteten
Flügel des Vordergrundes hinunter zu der
Weidenreihe am Bach und wieder hinauf an
einem Bauernhaus vorüber zum Straßendorf
mit seinem kleinen Kirchlein. Und mit diesem
dunklen Dorf, das sich über die ganze Bildbreite
dehnt, endet nicht etwa die Landschaft,
sondern hinter ihm läuft wieder ein Streifen
weißer Schnee, der schließlich an den Himmel
stößt. Vergleicht man hiermit ein ähnliches
horizontal aufgebautes Bild wie Cezannes bekannten
„Bahndammdurchbruch", so stellt man
fest, wie der große Franzose nach der Grenze
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