Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 53. Band.1926
Seite: 189
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_53_1926/0243
BRIEFE VON WILHELM BUSCH

Die Freundschaftsbriefe an Mitglieder der Familie Keßler
in Frankfurt a. M., die wir hier mit Genehmigung
der Besitzer und im Einverständnis mit den Erben "Wilhelm
Büschs veröffentlichen, sind Ausflüsse des Behagens
, die sich ihm absichtslos zu kleinen Kunstwerken
formten. Sie lassen uns hübsche Blicke in das Seelenleben
des großen Humoristen und Künstlers tun. —
Im Jahre 1867 besuchte Busch zum erstenmal seinen
jüngeren Bruder, den Dr. Otto Bvisch, damals Erzieher
in der Familie des Bankiers Keßler. Die Besuche wiederholten
sich, wurden länger und länger und führten zu
einer herzlichen und dauerhaften Freundschaft, von der
die Briefe Zeugnis ablegen.

Wiedensahl. 29. IX. 1872.
Liebes gutes Ungeheuer!
Ich war in Dresden und sah die Galerie und in
der Rotunde die prachtvollen Gobelins, wo das
Licht in Golde aufgewirkt ist; ich stand voll
Bewunderung vor der Katholischen Kirche; im
Dämmerschein erstieg ich die BriihlscheTerraße
und blickte nach den freundlichen Hügeln hin;
ich war beim alten Richter in Loschwitz oben;
ich trank Bier auf dem Waldschlößchen und
fuhr Abends spät zurück, hoch auf dem Omnibus
, und sah von da hinab in der Elbe im bewegten
Wraßer den langgezogenen, zackigen
Widerschein der Lichter tanzen; ich ließ mich
sogar im Künstlerverein fetiren und dachte bei

alledem recht oft an---.

Dann umrauschten mich wieder die Bäume von
Wiedensahl —.

Soll ich? Soll ich nicht?.....

Und nun viele Grüße an Nanda und Lotty und
vor allem an die schönste, beste und liebenswürdigste
aller Tanten von

Wilhelm B.
Wiedensahl. 10.1. 1873.

Liebe Tante!
Die letzte Festwoche war ich mit Bruder Hermann
in Berlin. Die Stadt hat einen günstigbedeutsamen
Eindruck auf mich gemacht. Aus
dem Museum, welches ich natürlich nur flüchtig
sehen konnte, blieben mir fest im Gedächtnis
Frans Hals — wie soll er nicht? — Chodo-
wiecki. Von letzterem die Gesellschaftsspiele
im Freien wollen Wratteaus sein, aber der hängt
in der Nähe und bringt sie um. Der Abschied
des Calas in Ol, etwa in der Größe Ihres Stiches
führte meine Gedanken zu einer lieben, wohlbekannten
Ecke. (Alles dahin.) Bei Ravene's
standen noch die Christbäume im Bildersaal.
Es hängen da alte Bekannte von Knaus, — kräftige
Troyons — ein Bild von Couture, ein schöner
Gallait und ein „reizender" Meissonier. Das
Portrait des alten Raven e von Knaus hätte ich
auch gern gesehen, hatte aber nicht Zeit und
Lust, der Madam meine Aufwartung zu machen
. — Im Wallnertheater machte uns Helmerding
viel Vergnügen. — Die Nachtwachen haben
mir einigen Katzenjammer hinterlaßen.
Wann werde ich Sie wiedersehen, liebste Tante,
— fern, fern, immer ferner! Und alles verschwindet
.

Wiedensahl. 15. I. 1876.

Liebe Tante!
Ihr guter Brief hat vierzehn Tage auf meinetn
Tisch gelegen und mich erwartet. Die Silvesterbowle
trank ich mit Bruder Gustav in Wolfenbüttel
. Dann fuhr ich bei dem schönsten, sonnigen
Winterwetter nach Ebergötzen zu Freund
Erich. Die alte wackelige Mühle steckte ganz
voll junger Mädchen, die mich natürlich nicht
tiefer intereßiren konnten. Da ich aber in ähnlichen
Verhältnissen meine Jugend verlebt, so
war mir alles, was paßirt, so klar und verständlich
, daß ich in den kleinen niedrigen Puppenstuben
wirklich recht lustige Tage verlebte. Es
kommt mir vor, als hätte ich mal wieder an den
offenherzigen Quellen des Lebens gesessen, die
sich ja sonst unter der Dressur verstecken. —
In der Dämmerung wandelten die beiden Freunde
regelmäßig eine Stunde ins Wirtshaus. Da saß
vorigen Dienstag ein junges hübsches Frauenzimmer
beim Ofen und hatte ein drei Monate
altes Kindchen auf dem Schoß. Der rote wollene
Rock mit gestickter Kante, das dunkle
Mieder, das umgeschlagene Kopftuch, der zurückgeschlagene
blumige Mantel standen ihr
merklich nett in dem Dampf und Lampenlicht.
Ein dickes carrirtes Bündel lag neben ihr. Sie
entblößte eine frische stramme Brust, und das
Wurm drückte ganz stillvergnügt seine Stumpfnase
hinein. Das Mädchen war nach Hannover
gewesen, um dem dorthin in Arbeit gegangenen
Geliebten mal die Reifen etwas anzutreiben.
Er hatte denn auch versprochen, in i4 Tagen
solle Hochzeit sein. Sie war zurück von Han-

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