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MAX OPPENHEIMER
HEINRICH MANN. 1911
manche Anfeindung, aber sie war auch die erste
starke Manifestierung seiner Persönlichkeit; das
gleiche Jahr zeitigte die Monographie von Wilhelm
Michel über Oppenheimer als vorläufigen
Schlußpunkt einer Entwicklungsphase, die heute
schon weit, weit zurückliegt.
Nun griff der Künstler zur Radiernadel. Neben
Bildnissen, die oft mit wenigen, sehr berechneten
Strichen ein ganzes Menschheitsbild aufreißen
, radierte er damals für die Pan-Presse
zehn sehr feine Napoleon-Blätter zuHeinesBuch
„Legrand", eine Kreuzigung, Geißelung, eine
Operation in verschiedenen Variationen und
war in einem reichen Schaffen eingebaut, aus
dem ihn der Krieg riß. Er ertrug die Erschütterungen
und Aufregungen der Kriegszeit weder
in Berlin noch in Wien, sondern zog sich 1915
lodkrank in die Schweiz zurück. Mehr als früher
wandte er sich fortan der malerischen und graphischen
Darstellung eines Themas zu, das ihn
von jeher im Tiefsten bewegte, das ihn selbst
angeht und die andere Seite seines Künstlertums
ausmacht: der Musik. An Kammermusik hat
er besonderes Interesse, sie ist ihm zum Lebenselement
geworden. Es verstand sich wie von
selbst, daß er Musiker mit Vorliebe porträtierte
und schließlich darüber hinaus Gruppenbildnisse
von Musikern gab, bis er zuletzt ein großes
Orchester mit allen Details auf ein Riesenbild
setzte. Das waren nun aber keine Musikerbildnisse
und Musikbilder im üblichen Sinn. Als
Max Oppenheimer den großen Pianisten und
Vorkämpfer der modernen Musikbewegung
Ferruccio Busoni porträtierte, da wurde dies ein
Gemälde, das man als die malerische Inkarnation
der Klaviermusik ansehen muß. Ein unerhört
geistreicher Kopf, aus dem Gedanken sprühen,
nicht minder geistreiche, gescheite, bis an die
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