http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_53_1926/0282
ALOIS KOLB ALS BUCHKÜNSTLER
er Aufsatz über
Alois Kolb, der
im April 1911
in diesen Blättern
erschienen
ist, beschäftigt
sich
im Schlußabsatz
mit den radierten
Initialen
und Kopfleisten
Kolbs
zu einer Monumentalausgabe von Ibsens „Kronprätendenten
". Das ist das erste Buch gewesen,
das Kolb mit radiertem Schmuck ausgestattet hat.
Und es hat damals eigentlich nicht den Anschein
gehabt, als ob die mit diesem W^erk gegebene Anregung
rasch Früchte bringen werde. Denn der
Käuferkreis für solche Luxuspublikationen ist
i m m er r e 1 a ti v b es ehr änkt, und dieKosten sind sehr
hoch. Aber es kam anders. Das mit Radierungen
geschmückte Luxusbuch wurde Mode, und vor
allem während einiger Jahre, die noch nicht
weit zurückliegen, sind Bücher mit Originalgraphik
eine vielbegehrte „Kapitalsanlage" gewesen
. Heute beurteilt man solche Dinge Golt
sei Dank wieder nur oder wenigstens zunächst
von künstlerischen Gesichtspunkten aus. Die
Zahl der Neuerscheinungen hat allerdings, besonders
in jüngster Zeit, beträchtlich abgenommen
. Aber das ist das geringste Übel. Die
Hauptsache ist, daß die Freude am schönen
Buch mit originalgraphischem Schmuck gerade
bei jenen, auf die es ankommt, noch nicht geringer
geworden ist. Und solange das der Fall
ist, wird es für die Graphiker auch nicht an
Möglichkeiten zu neuen Arbeiten auf diesem
Gebiet fehlen.
Alois Kolb hat mit den „Kronprätendenten"
insofern einen neuen Typus geschaffen, als die
Radierungen nicht eingeklebt, sondern in den
Text gedruckt waren. Das hat man früher nicht
oder nur selten getan. Wie man das vielmehr
gemacht hat, dafür ist „Eros und Psyche" von
Klinger ein klassisches Beispiel. Die Wirkung
ist, wie dieses Buch lehrt, auch dann gut, wenn
die Radierungen (gemeint sind natürlich nicht
ganzseitige Einschaltblätter, sondern meist in
Zierleistenform verwendete kleine Radierungen)
eingeklebt sind, und besonders, wenn sie, wie hier,
in reichen ornamentalen Umrahmungen sitzen.
Aber eine vollkommene Einheit zwischen Satz
und bildlichem Schmuck ist auf diese Weise
nie zu erreichen. Das ist nur möglich, wenn die
Radierungen auf dasselbe Papier gedruckt sind
wie der Satz. Aber, gerade bei Radierungen,
auch dann nur, wenn sie buchtechnisch empfunden
sind. Denn von Haus aus sind Radierung
und Satz, d. h. Tiefdruck und Hochdruck, Antipoden
, die nicht füreinander bestimmt sind. In
der Theorie wenigstens. Das hindert selbstverständlich
nicht, daß in der Praxis durch die
Verbindung von Radierung und Satz unter Umständen
etwas sehr Reizvolles und künstlerisch
Bedeutsames entstehen kann. Es kommt eben
immer darauf an, wer etwas macht und wie es
gemacht wird. Kolb jedenfalls hat, von einigen
weniger gelungenen Arbeiten abgesehen, die im
Gesamtwerk eines jeden Künstlers zu finden
sind, in den meisten Fällen bewiesen, daß die
Radierung sich als llluslrationstechnik neben
dem in erster Linie berufenen Holzschnitt nicht
224
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_53_1926/0282