Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 53. Band.1926
Seite: 240
(PDF, 102 MB)
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LOVIS CORINTH

Besitzer: Frau Charlotte Corinth, Berlin

KIND IM BETTCHEN. 1924

gelbgrlin phosphoreszierende Lichter. In diesem
explosiv-brodelnden Gebilde ist wohl ein Element
des dänischen Schriftstellers enthalten,
aber in der Vision dieses besessenen Greises ist
das Modell verwandelt und untergetaucht.
Was ist es, das diesen Menschen eine tiefere
Bedeutung verleiht und sie gleichsam aus ihrer
kleinen, empirischen-Einzelexistenz herauszuheben
scheint? Jene eigenartige Strahlung, die
besagt: dies ist nicht mehr das Individuum oder
jenes, sondern ein weit größeres Phänomen,
dessen höhere Realität längst über das menschliche
Urbild hinausgewachsen ist? Es ist nichts
anderes als der gewaltige Schatten des Schicksals
, der über diesen Porträts liegt. Nicht
nur das Schicksal des Dargestellten, als vielmehr
auch das des Malers —, jene geheimnisvolle
Verbindung, die den tiefsten Sinn und
die lebendige Wirksamkeit des großen Kunstwerks
ausmacht. Hier wirkt ein Wille, der
danach strebt, den Menschen mit der Ewigkeit
wieder in Verbindung zu bringen. Er zielt
darauf, das Individuum aus seiner Vereinzelung
zu erlösen und es einem überpersönlichen Gesetz
unterzuordnen.

Die Sichtbarmachung dieser Idee durch den
bildenden Künstler, der formale Träger, das
Medium ist verschieden. Bei Greco ist es eine
flackernde Flamme, die das Dargestellte vertikal
aufwirbeln läßt. Bei Rembrandt ist es ein geheimnisvolles
Eicht, dessen Herkunft keiner
irdischen Quelle entstammt, dessen Wirkung
irrational verhüllt. Corinth transponiert das Geschaute
in eine Art Konkavspiegel. Ein magisches
Glas, das die Formen ihrer irdischen
Realität entkleidet und sie aufbläht, um sie zuweilen
auch in einem Sprühregen zu zerstäuben.
Es ist ein seltsames Ausdehnen des dargestellten
Objekts. Am deutlichsten bleibt es feststellbar
in den Bildnissen mit ihren weiten, großen, gebirgigen
Gesichtern, aber auch in den Blumen,
diesen eigenwilligen gespenstischen Lebewesen,
die oft dem Beschauer entgegenzuspringen scheinen
und ihn fast in das Bildfeld mit hineinreißen,
wo Farben und Gewalten einen undeutbaren
Tanz aufführen.

So erreicht Corinth die Wirkung der Tiefe.
Er zeigt uns das Objekt in seiner Beziehung
zum Raum. Dabei handelt es sich nicht um optische
Perspektiven, um Verkürzungen, um II-

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