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LOVIS CORÜNTH
DIE RATSHERREN VON TAPIAU. 1917/18
Besitzer: Magistrat, Tapiau
lusionen und plastische Darstellung. Der Raum
splicht aus dem Dargestellten. Er selbst bleibt
ungemalt. Wie es sich bei Rembrandt nicht um
ßeleuchtungseffekte handelte, so gilt es hier die
Sichtbarmachung einer metaphysischen Tiefe,
die Gestaltung einer schicksalhaften Raumgewalt
.
Bei Corinth spukt hier Angst. Es ist ein nordisches
Empfinden. Die Formen dehnen sich und
scheinen den Raum zu zersprengen. Das Lebewesen
fühlt sich gejagt und umdrängt von den
riesenhaften Horizonten, von dem grauen Gewölk
, von der Monotonie der Ebene. Diese
Gewalten werden immer übermächtiger. Die
starke Sinnenfreude an der Materie wird am
Ende gar vernichtet. Der dionysische Rausch
an all den strotzenden Weibern, den blutenden
Leichnamen der Tiere, der kochenden Vegetation
geht auf in einem bräunlichen Licht. Es
ist die Summe dieser Farbgewitter und das letzte
Wunder der Mysterien: der Tod.
Er ist es, der schon lebte in der kerngesunden
Hand, die dieBrust des Modells zusammenpreßte,
der den geöffneten Mund der „Donna gravida"
umspielte, der in all diesem animalischen Dasein
mitgemalt war undder nun in seiner gigantischen
Kraft im letzten Selbstporträt unverhül.'t hervortritt
. Dieser Begleiter unseres menschlichen
Daseins ist aus Corinths Malerei nicht fortzudenken
. Denn das Werk dieses Malers ist eine
Auseinandersetzung mit dem Tod.
Bruno E. Werner
Die Kunst für Alle. XXXXI.
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