http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_53_1926/0333
SANDRO BOTTICELLI
GEBURT DER VENUS. AUSSCHNITT
JAPAN UND FLORENZ
Japan — das Blumenland, Florenz — die
Blumenstadt! Kein Wunder, wenn sich okkulte
Zusammenhänge kundtun. Vieles und Bedeutendes
ist über Florentiner Kunst geschrieben
worden und besonders über einen jener
Künstler, den nur Florenz zeitigen konnte in
seinen holdesten Frühlingstagen, über Botticelli,
den Maler des Frühlings. Das letzte Wort über
ihn sagt ein japanischer Kunstgelehrter, Yukio
Yashiro. Er hat ein Werk über den italienischen
Maler der Frührenaissance veröffentlicht, dem
Text wurden zwei Bände Reproduktionen angegliedert
, die mit dem geduldigen Sinn für Details
ausgewählt sind, wie er dem Japaner besonders
eigen ist. Die Blätter enthalten zumeist
ausdrucksvolle Kleinteile aus den W erken des
Meisters, deren zarter Linienschwung, deren
Phantasie und strenger Stil den gelehrten Kunstfreund
des fernen Ostens begeisterten. Obwohl
er selbstbewußt über d ie Kunst der eigenenLands-
leute spricht, nennt Yukio Yashiro den Florentiner
doch den größten Blumenmaler, was besondere
Erwähnung verdient bei dem großen
und einzigartigen Verständnis Japans für die
Welt der Blumen. Dieses für den Europäer
überraschende und merkwürdige Urteil sollte
anregend sein für nachdenkliche Betrachter, die
Auge und Sinn für Bilder und Blumen haben.
Yashiro stellt Botticelli über die klassischen japanischen
Künstler, über Utamaro, der in der
Behandlung des Haares dem Florentiner am
nächsten kommt und über die feinsinnigsten
Blumenmaler seiner Heimat Sotatsu und Korin,
deren Wahlverwandtschaft mit der italienischen
Die Kunst für Alle. XXXXI. 9. — Juni 1926
265
54
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_53_1926/0333