http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_53_1926/0345
Schicksal in Konflikt geratene Mensch, nicht das
titanisch-kämpferische Leben und auch nicht
das vorübergleitende Werden eines Geistes, der
in der Übersteigerung die Erfüllung sucht,—
sondern die schlichte Anmut der in sich ruhenden
Gestalt. Diese Figuren — häufig in Terrakotta
farbig getönt — sind ebensoweit entfernt von
der dekorativen Kleinplastik wie von der Monumentalität
, die dafür bestimmt ist, im Freien zu
stehen und sich dort gegen den Himmel abzuheben
, wie dies meist bei den Plastiken der Antike
der Fall war. Sie sind für den Raum gedacht und
ihr intimer Reiz findet seine Weihe im gebrochenen
Licht einer Halle oder in der räumlichen
Begrenzung eines Hofes.
Es liegt allzunahe bei diesem Künstler, der eine
deutsche Mutter und einen italienischen Vater
hat, die Vereinigung des nordischen und südlichen
Geistes zu zeigen. Aber es gehört zum
Schlüssel des Verständnisses und so kann man
schwer darauf verzichten. Nordisch ist eine gewisse
herbe Sprödheit der Erscheinung, eine oft
ungewisse verfließende Gebundenheit der Arme
und Reine, die nicht für sinnliche Tastbarkeit geformt
sind. Südliche Klassizität verrät jedoch
die Freiheit der übrigen Gestalt, die frontale
Darstellung, die klare Ubersicht des Ganzen und
jene unbewußte Harmonie der Formung, die
mediterran ist und deren unproblematischer
Zauber am deutlichsten aus der Badenden
(s. Abb. S. 273) spricht.
Eine besondere Bedeutung besitzen die Porträtköpfe
des Künstlers, die in den letzten Jahren
entstanden sind. Die Schule des Kubismus, die
de Fiori durchschritten hat, ist hier nicht so deutlich
erkennbar wie in der Darstellung des
menschlichen Körpers. Aus dem Selbstporträt
in Bronze von 1923 mit seiner StrafFung der
Linien und Spannung der Flächen spricht ein
Wille, dem es darauf ankommt, im Individuellen
das Gemeinsame: das Gesicht seiner Zeit zu
formen. Die Terrakottaköpfe der Schauspielerin
Elisabeth Bergner (1925) und des Boxers Jack
Dempsey (1925) in der Nationalgalerie Berlin
besitzen bereits jene wehende leichte Sicherheit,
die sich nicht verflüchtigt und ganz Form geworden
ist. Diese Köpfe umspielt der Atem
innerer Lebendigkeit. Sie geben ganz das Wesen
des Dargestellten wieder. Das Jungmädchenhafte
, Zarte, Leidende, Scheue dieser Schauspielerin
oder die gladiatorenhafte Gutmütigkeit
eines herkulischen amerikanischen Jungen. Sie
sind wohl eminent „ähnlich" und doch hat es
der Künstler verstanden, über das vergänglich
Individuelle hinausgehend das Typische der
menschlichen Erscheinung zum Ausdruck zu
bringen.
De Fioris Weg läuft abseits von den intellektuellen
Tendenzen des Tages. Nichts ist in seiner
Kunst vom Mystizismus, nichts vom sozialen
Pathos, nichts von der „neuen Sachlichkeit"
unserer Gegenwart. Der Künstler nimmt nicht
Stellung, er zeigt keine Meinung und besitzt
gottlob keine Weltanschauung, sondern als ein
schöpferischer Mensch des Auges und der Hand
erfüllt er seine Aufgabe, in der er schlicht aussagt
: daß etwas ist.
Das Werk de Fioris in seiner heutigen Gestalt
umspannt den kurzen Zeitraum von 10 Jahren.
Es besitzt die innere Sauberkeit, sich auf die
Gestaltung eines begrenzten Themas zu beschränken
. Ob der Künstler diese Grenzen noch
überschreiten wird, und inwieweit er bei fortschreitender
Reife die Fähigkeit besitzt, auch
andere Themen mit der lässigen Grazie und der
schlichten Klarheit, dieihn auszeichnet, zu durchdringen
, wird die Zukunft zeigen.
Bruno E. Werner
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