Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 53. Band.1926
Seite: 280
(PDF, 102 MB)
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n all seinen Gaben für die
Kinderwelt steht jedoch
der Dichter Pocci dem
Zeichner weit nach.
Wohl glückten ihm
einige sinnige und innige
Gedichte, ein paar
Balladen; doch einen besonderen
literarischen
Wert besitzen seine Gedichtbände nicht.
Auch zur Belehrung und Erbauung des Volkes
wollte er mit Feder und Stift ein Scherflein beitragen
. Den Reigen dieser Schöpfungen eröffnen
seine Beiträge in dem von Guido Görres herausgegebenen
„Deutschen Hausbuche" (i846 und
i84y) mit anmutigen Weihnachtsbildern und
einem trefflichen Spottbild auf den verjagten
Winter, den „alten Krächzer", eine „Art Hauspostille
a la Abraham a Sta. Clara, humoristisch
in lebenden Bildern, verbunden und getragen
von einem goldenen Faden religiösen Gehalts".
Das Banner einer unverwüstlichen heiteren
Laune weht uns entgegen a us seinen Karikaturen,
die meist auf Mitglieder der beiden Münchner
Gesellschaften „Alt-England" und „Die Zwanglosen
" gemünzt sind. Die erstere, die einem
heitern .Lebensgenuß huldigte, umschloß einen
Kreis von hochstehenden Männern. Als Pocci
i84o eintrat, war er nach seinem Geständnis
„längst dem Spott-Teufel verfallen und sein
blindes Werkzeug geworden"; daher ließ er
seinem Hang zu mutwilligen Satiren die Zügel
schießen. Sich selbst verschonte der „ Pasquillan t"
(wie er sich scherzhaft nannte) dabei am wenigsten
. So sehen wir ihn als Rompilger, als „ Schnack
von Ammerland", als Tartüff, als Badegast in
Ostende, als Le Maigre, als Hofmusikintendanten
, der das auf einem Karren stehende Hoftheater
aus dem Sumpf herauszuziehen sich bemüht
, als Giraffe, ja als Esel in der goldbestickten
Oberstkämmereruniform. Der leidige Dienst
eines „Hofschranzen" war ja durchaus nicht
nach seinem Geschmack.

Im Gegensatz zu „Alt-England" verfolgte die
1837 gegründete „Gesellschaft der Zwanglosen"
auch literarische und künstlerische Interessen.
Jene war ganz „weiß-blau" — bayerisch gesinnt,
diese übte weitgehende Duldsamkeit und bot
neben einheimischen Dichtern, Gelehrten und
Künstlern auch den „Berufenen" ein gastliches
Heim. Für diese „Nordlichter" hat Pocci,
gleich anderen eingefleischten bay erischen Par-
tikularisten, wenig übrig, obgleich er von hoher

Verehrung für Geibel und Liebig erfüllt ist.
Doch ergießt sich die Lauge des Spottes in seinen
Karikaturen über die „Zwanglosen" in gleicher
Weise über die Einheimischen wie auf die Fremden
, besonders aber über Kobell, der auf diese
harmlosen Neckereien stets eine schlagfertige
Entgegnung fand. Ein „Dichter-Wettrennen"
versinnbildet klar und scharf den unüberbrückbaren
Gegensatz zwischen den einheimischen
und berufenen Poeten. Allen voran stürmt Geibel
auf seinem Pegasus, dicht hinter ihm sprengen
Heyse und Schack, dann geben Carriere
und Bodenstedt ihren Gäulen die Sporen, und
als letzter erscheint Kobell (der einzige einheimische
Dichter) und schreit: „Laßt's mich
doch auch mit, ös g'scheckat'n Luader!"
Von den „Zwanglosen" im „Elysium" entwirft
Kobell ein launiges Bild. Auch Pocci kommt
mit ihnen ans himmlische Tor, wo ihn St. Petrus
freudig begrüßt:
„Dees is ja scharmant,

Sie san vo die Engin selm rekummandiert (emp-
Gehnga S1 eina, Herr Graf!" . . . fohlen)
Die „Schnadahüpfln und Gschichtln" Kobells
versah Pocci mit humorvollen Zeichnungen, und
dessen Geschichte vom „Brandner Kaspar", der
den Tod überlistet und zuletzt doch nach
ihm sich sehnt,begleitete er mit tiefempfundenen
Bildern.

Durch die Romantiker erlebte das Puppenspiel
einen neuen Aufschwung, und Pocci hob es auf
eine künstlerisch hohe Stufe. Zu seinem regen
Schaffen auf diesem Gebiete drängte ihn der
Zufall.

Der Aktuar Josef Schmid in München benötigte
für sein neuerworbenes Marionettentheater zugkräftige
Stücke und wandte sich deshalb an Pocci.
Dieser sagte zu und verfaßte nun mit Feuereifer
Stück um Stück, im ganzen 41, die er in seinem
sechsbändigen „Lustigen Komödienbüchlein"
sammelte. Hier ist Kasperl der „Vertreter des
eulenspiegelhaften Volkshumors", eine (wie er
selbst sagt) „in Lachangelegenheiten hochwichtige
Persönlichkeit", der eigentliche Held der
Handlung, oder er trägt, wenn auch gewöhnlich
in untergeordneter Stellung, oft zur Schürzung
und Lösung des Knotens erheblich bei.
In der nüchternen Wirklichkeit wurzelnd, bildet
er einen wirksamen Gegensatz zur mondschein-
umfluteten Märchenwelt der Romantik. Er
träumt nur vom Essen und Trinken, und wenn
er nicht im Wirtshaus ist, dann ist er auf der
Polizei, der er stets ein Schnippchen schlägt.

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