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„Schlipperdibix!" lautet sein Leibsprüchlein.
Dem Sultan stellt er sich als Doktor der „ßli-
miblamiphilosophie" vor und begrüßt ihn mit
der Anrede: „Erhabener Türkenkopf!"
In den Puppenspielen läßt Pocci seiner Neigung
zur Satire freien Lauf. Sie geißelt beinahe alle
Stände, mit Vorliebe jedoch die Beamten, die
Gelehrten, die Künstler und Arzte. Den Doktor
Sassafras empfängt der Totengräber auf dem
Friedhof mit den Worten: „Wie, kommt Ihr
selbst einmal hierher? Gewöhnlich schickt Ihr
mir nur Eure Patienten heraus." Zu jedem
Stück bot seine Künstlerhand humorvolle Vignetten
. Auf dem Titelblatt hält der Schalksnarr
eine Maske vors Gesicht: Poccis leibhaftiges
Konterfei.
otentänze schuf er auch. Immer
wieder beschäftigte er
sich mit dem unheimlichen
Sensenmann und suchte in der
Art von Holbein die dämonische
Gestalt des Menschenwürgers
in stimmungsvollen
Bildern festzuhalten, wozu
er später begleitende Verse
schrieb. In allerlei Gestalten erscheint hier der
Unerbittliche seinen ahnungslosen Opfern, so
als Schnitter in Bauerntracht, als Glöckner im
Habit eines Klosterbruders, als Holzleserin im
Walde, als Fährmann im schwankenden Kahn,
als Bergführer; zuletzt schreitet er als Landsknecht
über einen Wall von Leichen zur brennenden
Burg.
Seine anthropomorphistische Kunst spiegelt
sich, wie hier, auch in einer heiteren Gabe, der
„Viola tricolor". Sein Auge entdeckte, daß die
unscheinbaren Stiefmütterchen menschliche Gesichter
darstellen. Zu diesen Blumen zeichnete
er die dazu gehörigen Körper, und so entstand,
nach Hollands Urteil, ein „heiteres Capriccio ".
Auch in seinen hundert „Namenbildern" tritt
der Reichtum seiner unerschöpflichen Phantasie
klar zutage. Diese und sein unversieglicher
Humor führten ihm Stift und Feder in seiner
etwas boshaften Satire auf das verknöcherte Beamtentum
jener Zeit, die unter dem Titel „Der
Staatshämorrhoidarius"inmehreren Bänden der
„Fliegenden Blätter" und später als Buch erschien
.
In rastloser Tätigkeit schwand dem Künstler
Jahr um Jahr. „Gevatter Tod", den er so oft
in Wort und Bild verherrlicht hatte, nahte sich
ihm nicht als Schreckgespenst, sondern als
Freund. Am 7. Mai 1876 erlag er einem Schlaganfall
.
Gleich Eichendorflf blieb er der Romantik treu,
selbst als diese sich längst überlebt hatte. Neben
flüchtigen Improvisationen gelangen ihm doch
vortreffliche Schöpfungen, die nicht veralten.
Aus der Tiefe eines reichen goldigen Gemüts
quillt all das, womit er die Mit- und Nachwelt
bescherte. Ein Stück von seinem Herzen liegt
nach seinem Bekenntnis in seinen dichterischen
und künstlerischen Gaben:
„Denn alles, was und wie ich's gab,
Nahm ich aus meines Herzens Hab',
Aus meines Lebens tiefem Schacht
Hab' ich's auf das Papier gebracht."
Dr. A. Dreyer
Die Kunst für Alle. XXXXI.
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