http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_53_1926/0355
MAURICE UTRILLO
Collect. Mme. Kars, Paris
STRASSENBILD. 1925
gebrochenen Tradition und speist sich aus eigenem
starkem Blut, das Zeiteinflüsse nur zur
eigenen Klärung aufnimmt, ihnen nicht unterliegt
. Daß sich um ihn viel autochthones französisches
Kiinstlerblut scharen mußte, beweist
nur seine Echtheit.
Die Vitalität, die in der nachimpressionistischen
Generation trieb, ihre Sehnsucht zum Ursprünglichen
, Kraftvollen, ging in die Malkulturen eines
Matisse und Derain nur in Brechungen ein. Ihr
Hauptstrom trieb eine selbständige Linie aus
der anfänglichen Einheit heraus, die in Vlaminck
ihren markantesten Vertreter hat. Vlaminck
strotzt von Erdkraft und impulsivem Temperament
. Das gibt seiner Malerei das Unmittelbare,
das bodenständig Gesunde, das manchmal an
nordisches Barbarentum erinnert und solchergestalt
in den kultivierten Salons von Paris fast
fremd anmutet. Unter diesem Grund trieb tritt
bei Vlaminck die Entwicklung fast etwas zurück.
Ja manchmal will es scheinen, als ob diese Kraft
sich etwas allzu ungezügelt gebärde, so daß oft
so etwas wie Plumpheit, gar Brutalität aus den
Schollen bricht. Gerade die letzte Produktion
Vlamincks läßt manchmal den Verdacht aufkommen
, als ob hier das Elementare an sich als
Wert kultiviert würde. Das Branstige der Farben
und die Ungeschlachtheit der Formen übertreiben
oft die Derbheit. Er sucht das Unmittelbare
um jeden Preis. Vielleicht erklärt dies,
warum unser spontanes Fühlen doch zu ihm
sich neigt.
Zwischen diesen drei Grundkräften der heutigen
französischen Malerei (Dekorativismus, Klassizismus
und Vitalismus) füllen sich die Reihen.
Maler wie Bonnard und Segonzac mischen die
von jenen repräsentativ gestalteten Kräfte zum
eigenen Gehalt und entwickeln ihre schöne Reife
aus sehr ursprünglichen Antrieben. Bonnard
ist zum vortrefflichen Maler bester französischer
Provenienz gediehen. Seine Akte schwellen von
innerem Leben, und halten dabei doch immer
ein edles Maß, das sie in die Nähe Derainscher
Formauffassung bringt. In Segonzac schäumt
285
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_53_1926/0355