Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 53. Band.1926
Seite: 316
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JAKOB GENSLER

Hamburg, Kunsthalle

DER ALTE WEIDENBAUM

DTE STELLUNG DES PORTRATS UM 1800

Seitdem die abendländische Menschheit zum Bewußtsein
ihrer selbst erwacht ist, hat das Porträt
immer als hervorragende Aufgabe der Kunst, insonderheit
der Malerei gegolten. Der erste Theoretiker
der Renaissance, L. B. Alberti, äußert sich
sofort auch über das Bildnis: „die Malerei vermöge
nicht nur, wie man von der Freundschaft sagt, abwesende
Menschen gegenwärtig, sondern auch die
Verstorbenen nach Jahrhunderten soviel als lebendig
zu machen, und dies werde maninnemit
hoher Befriedigung des Künstlers und mit vieler
Wonne". Und ähnlich sieht bald Dürer, vielleicht
von Alberti beeinflußt, die eine der beiden Aufgaben
der Malerei darin, das Bildnis der Menschen
über ihren Tod hinaus aufzubewahren. Wenn sich
dann einzelne Große als Porträtisten nicht betätigt
haben— etwaGrünewrald oder Michelangelo— so
betrachten in überwältigender Mehrheit auch die
größten Meister das Porträt als ernsthafte künstlerische
Angelegenheit. Dürer, Raffael, Tizian,
Rubens, Rembrandt, Velasquez brauchen nur genannt
zu werden, um dies zu beweisen. Wenn
man von dieser Seite kommt, so ist man erstaunt
, aus dem 19. Jahrhundert etwa Böcklin

zu hören, der das Porträt „die elendeste aller
Kunstgattungen" nannte. „Es bleibt ihm (Böcklin)
zu viel Gegebenes und das langweilt ihn . . Dem
Künstler bleibt nichts zu erzählen, nichts eigenes
hinzuzutun, womit er zu der Seele des Beschauers
sprechen, ihn packen könnte." Wenn dann ungefähr
zu gleicher Zeit ein Nachfahr des Klassizismus
, Genelli, äußert: „wüßten die bloßen Porträtmaler
, was an einem Porträt wäre, so wären
sie mehr denn Porträtmaler", und Stauffer-Bern
in der Porträtmalerei „die Quintessenz und den
Maßstab künstlerischen Könnens" sieht, so sind
das Zeichen einer Unsicherheit demPorträt gegenüber
, die auf tiefergehende Änderungen in der
geistig-künstlerischen Disposition seit den Großzeiten
des Porträts deuten.

Fragen wir etwa bei Goethe wegen seiner Stellung
zum Porträt an, so hören wir merkwürdig wenig
und wenig Bedeutendes. In den „Wahlverwandtschaften
" heißt es einmal: „mit einem Porträt von
Personen, die man kennt, ist man niemals zufrieden
. Deswegen habe ich die Porträtmaler
immer bedauert. Man verlangt so selten von den
Leuten das Unmögliche und gerade von diesen

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